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Der Tod meiner Mutter

Der Tod meiner Mutter

Titel: Der Tod meiner Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Diez
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nett.«
    »Es geht um dieses Sitzkissen, das du eigentlich haben wolltest, oder?«
    »Aber ich wollte nicht das, das ist das falsche Sitzkissen, das ist das falsche Muster.«
    »Du willst es umtauschen?«
    »Du musst die Rechnung bezahlen. Sonst kommt jemand vorbei.«
    »Wer kommt dann vorbei?«
    Stille am Telefon, nur ihr Atem war zu hören. Es war wie ein Streit ohne Streit, wenn man nicht aufhören kann und jeden Satz
     benutzt wie eine spitze Nadel.
    Ich hatte die ganze Zeit auf den Boden vor mir gestarrt, auf den Kies des Dorotheenstädtischen Friedhofs. Wir beendeten das
     Gespräch, ich weiß nicht wie. Vom anderen Ende des Friedhofs kam eine junge Frau auf mich zu, eine Freundin meiner Frau, die
     zwei kleine Kinder dabeihatte. Eines lief an ihrer Hand, sehr wackelig und gut gelaunt, das andere lag im Kinderwagen und
     schlief. Wir redeten kurz, dann ging sie weiter. Ichrief meine Frau an, bei der man noch nichts sah, keinen Bauch, kein Kind, nur eine Ahnung. Dann rief ich die Architektin
     an, die unsere Wohnung umbauen sollte, es ging um die Frage, welchen Duschkopf wir wollten, welche Kacheln, welches Waschbecken.
     Dann schaute ich einem Hund zu, wie er über das Gras lief.
    Ich dachte an das Geld, das ich bald erben würde und das ich gut gebrauchen könnte. Ich dachte daran, was ich mit diesem Geld
     machen würde, etwas für die Renovierung, etwas für neue Möbel, etwas für das Kind. Dann wollte ich nicht mehr daran denken.
    Dann klingelte das Handy.
    »Ich weiß nicht, was ich essen soll, Schorsch. Es ist niemand da, es ist nichts im Kühlschrank.«

    Die Frau, die für meine Mutter kochte, als alles noch eine gute Weile zu dauern schien, hieß Sordini, und immer, wenn sie
     da gewesen war, roch es in der Wohnung nach Basilikum und Knoblauch und Thymian, manchmal noch einen oder zwei Tage später,
     und immer machte das meine Mutter glücklich.
    Als Frau Sordini nicht mehr kam, war das schlimmer, als wäre sie nie da gewesen. Es war für meine Mutter ein weiterer Beweis,
     dass sich alles gegen sie gewendet hatte.
    »Sie sagt, sie sei in Italien bei ihrem Bruder, weil der krank ist. Dabei hat sie gar keinen Bruder.«
    »Wie? Denkst du, sie lügt dich an?«
    »Glaubst du mir nicht?«
    »Doch, natürlich, aber warum sollte sie das denn sagen, wenn es nicht stimmt?«
    »Ich weiß nicht, ich weiß nur, dass jetzt niemand da ist, der für mich kocht.«
    Vielleicht sind manchmal nur eine oder zwei Wochen entscheidend, eine oder zwei Wochen, in denen ein paar Menschen zu viel
     in den Ferien sind, in denen das Wetter ein bisschen zu heiß ist, in denen sie jeden Tag etwas zu wenig isst und trinkt. Das
     reicht schon, und die Verbindung zum Leben reißt ab, so wie es im Sommer 2006 bei meiner Mutter war, als sie sich weigerte,
     mehr als eine Gabel voll Fisch zu essen.
    Dabei hatte sie ihr letztes Jahr mit Optimismus begonnen. Am8. Januar schrieb sie in ihren Kalender: »Entschluss Buch«. Und am 9. Januar: »Buchbeginn«. Sie glaubte daran, dieses Buch
     abzuschließen, sie glaubte daran, dass sie dieses Jahr überleben würde und das nächste und vielleicht noch ein paar mehr.
     In den nächsten Tagen aber notierte sie: »schlecht« und »Bett« und »Durchfall«. Sie schrieb auf: »Lesen« und »Lesen etc.«
     und »viele Tel.« und »langes Tel.«. Am 13. Januar »Lindenstraße-Nacht«, am 14. Januar »Bella Block«, am 22. Januar »Haarausfall«.
     Mit einem Ausrufezeichen. »Haarausfall!« Als wollte sie sich wachrütteln.
    Nur eine Zeile darüber schrieb sie: »Supervision (2500 €)«. Geld, Zeit, Leben. Sie arbeitete in diesen Monaten, sie ging alleine
     einkaufen, sie bestellte sich eine neue Matratze für ihr Bett, sie organisierte ihr Leben, das auf der Kippe stand, das wusste
     sie. Am 23. Januar notierte sie: »recherchieren/klären«. Ich weiß nicht, was sie an diesem Tag klären wollte, vielleicht etwas
     mit einer ihrer Freundinnen, sie fing in dieser Zeit an, mit ihrer Gunst zu jonglieren, sie wollte sich auf die eine verlassen,
     schien von der anderen enttäuscht, sie blieb viel im Bett, und das Wetter oder der Lärm oder der Computer, der abstürzte,
     alles konnte sie verunsichern.
    »Schau mal«, sagte ich, als ich den DVD-Spieler erklärte, den ich ihr zu Weihnachten geschenkt hatte, zusammen mit ein paar
     Filmen, weil ich wollte, dass sie sich ablenkt, weil ich nicht wollte, dass sie zu tief in sich hineinschaut. »Du musst nur
     hier auf der Fernbedienung diesen Knopf drücken,

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