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Der Tod trägt dein Gesicht

Der Tod trägt dein Gesicht

Titel: Der Tod trägt dein Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ginna Gray
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oben nicht so leicht sehen können. Und wenn sie Glück hatte, würde zufällig ein Förster die Straße entlangfahren und sie mitnehmen. Falls nicht, würde sie wie der Blitz in die Stadt rennen.
    Hundert Meter den Bach hinunter gab es eine drei Meter hohe Stromschnelle. Die Frau krabbelte ans Ufer und den Hang herab. Das Ufergebüsch gab ihr Halt.
    Während sie um einen Geröllhaufen herumlief, nahm sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahr. Ihr Herz machte einen Satz. Sie hielt die Luft an und duckte sich auf den Boden. Sie betete. Ihr Herz schlug so laut, dass sie sicher war, man würde es hören. Nach einem Augenblick entspannte sie sich ein wenig und spähte zwischen zwei Felsblöcken hindurch. Hinter den Bäumen sah sie ihren Verfolger. Er war etwa fünfhundert Meter entfernt.
    Sie duckte sich wieder hinter die Felsen und hielt sich die Hände vor den Mund.
Oh mein Gott!
Sie hatte nicht erwartet, dass er ihr schon so dicht auf den Fersen war. Sie hatte die Entfernung, die sie zurückgelegt hatte, falsch eingeschätzt. Was sollte sie jetzt tun?
    Sie schob sich am Felsen hoch, um noch einen Blick zu wagen. Der Mann ging an ihr vorbei, allerdings in die entgegengesetzte Richtung. Sein Blick war auf den Weg vor ihm gerichtet. Er verfolgte ihre Spuren zurück. Mit beiden Händen hielt er sein Jagdgewehr in Schussposition.
    Ohne Vorankündigung hob er den Kopf und lauschte. Das Raubtier schnupperte nach der Fährte seines Opfers. Langsam drehte er sich um und schien sie einige Sekunden lang direkt anzusehen.
    Die Frau hielt die Luft an. Sie wagte nicht, sich zu rühren. Oder nur zu blinzeln. Sie wusste aus Erfahrung, dass in der Stille des Waldes die geringste Bewegung die Aufmerksamkeit auf sich zog.
    In der Nähe schrie eine Elster in einem Baum. Irgendwo schnatterten Meisen, und ein kleines Tier raschelte durch das Unterholz. Die Frau bewegte sich nicht. Nach einer Weile, die ihr wie eine Ewigkeit erschien, senkte der Mann seinen Blick wieder auf den Boden und fuhr fort, ihre Spur zu verfolgen.
    Sie wartete so lange, wie sie es aushielt, so lange, wie ihre Nerven es erlaubten. Aber als ihr Verfolger wieder im Unterholz verschwunden war, lief sie wie der Teufel los.
    Zuvor hatte sie sich bemüht, sich vorsichtig und ruhig zu bewegen, während sie aus ganzer Kraft rannte. Da sie aber ihren Mörder so nah gesehen hatte, war sie nicht mehr zu halten. Schrecken und Hysterie bemächtigten sich ihrer. Sie gab ihr letztes Bisschen Selbstkontrolle auf. Sie rannte um ihr Leben.
    Sie flog, schlitterte den Hügel in einem gefährlichen Galopp hinunter, der unter ihren Füßen Geröll, Äste und Laub wie kleine Erdrutsche lostrat. Das Echo des Lärms hallte vom Wald zurück, aber sie hörte es nicht.
    Ihre Lungen und ihre Kehle brannten. Ihre Jacke war zerrissen, und überall auf der bloßen Haut hatten Dornen blutige Wunden hinterlassen. Während sie nach Luft rang, rollte sie kopfüber den Hügel hinunter, jede Faser ihres Körpers war nur auf ein einziges Ziel gerichtet: zu entkommen.
    Sie rannte aus dem Wald heraus. Ihr Herz hüpfte vor Freude. Gott sei Dank!
    Sie hatte Glück. Von links kam ein Lieferwagen die Straße hinab und fuhr auf sie zu. Sie watete durch den eiskalten Bach, der neben der Straße floss. Fast hätte sie das Gleichgewicht in dem schnell fließenden knietiefen Wasser verloren. Aus Angst, dass der Wagen an ihr vorbeifahren könnte, ohne dass der Fahrer sie gesehen hätte, kletterte sie die Böschung hinauf, während aus ihrer Kehle kleine verzweifelte Krächzer drangen. Als sie die Böschung erklommen hatte, war der Wagen fast auf ihrer Höhe. Sie schnellte mitten auf die Straße, direkt vor den Kühlergrill und hob beide Arme.
    Der Fahrer trat auf die Bremse und lenkte das Fahrzeug knapp an ihr vorbei. Noch bevor der Wagen zum Stehen kam, war sie auf die Beifahrerseite gelaufen.
    “Verdammt! Sind Sie irre? Was glauben Sie eigentlich, was Sie hier tun? Einfach so auf die Straße zu laufen! Ich hätte Sie umnieten können!”
    “B-bitte helfen sie mir”, japste sie. “Sie müssen mich von hier wegbringen. Ein Verrückter versucht, mich umzubringen!”
    “Verdammt!” Der Fahrer sah sich um und lehnte sich hinüber, um ihr die Tür aufzuhalten. “Steigen Sie ein.”
    Sie stellte einen Fuß auf das Trittbrett und hielt sich am Türrahmen fest, um sich hinaufzuziehen, als die erste Kugel sie mitten in den Rücken traf.
    “Verdammte Scheiße!”, rief der gute Samariter.
    Die Wucht des Schusses

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