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Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens

Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens

Titel: Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Niedlich
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Frau Baranski noch viel dickköpfiger war als ich. Über Tage versuchte ich ihren Mann und auch ihre Kinder davon zu überzeugen, dass es Heilungschancen gab, doch sie alle hielten zusammen und waren derselben Meinung wie sie. Es ging so weit, dass mich der Oberarzt beiseitenahm und mir sagte, dass ich den Wunsch der Patientin zu respektieren hätte.
    Ich war schlecht gelaunt, als ich am Tag nach meiner Belehrung nach Hause ging und Tod mir am Ausgang auflauerte.
    „Du fehlst mir gerade noch“, sagte ich.
    „Warum bist du eigentlich so sauer?“, fragte er mich, während ich an ihm vorbeiging.
    „Weil der Frau zu helfen wäre und sie schmeißt ihr Leben einfach weg.“
    Tod erschien ein paar Meter vor mir plötzlich wieder, ganz ruhig an den Kescher gelehnt. „Du weißt genauso gut wie ich, dass das nicht stimmt.“
    „Nur weil sie sterben muss, heißt das ja nicht, dass sie gleich sterben muss“, sagte ich erneut im Vorbeigehen.
    „Nein, das nicht, aber ist es nun schon so weit, dass du für andere entscheiden willst?“
    „Das sagt mir genau der Richtige.“
    Tod erschien jetzt direkt vor mir, so dass ich fast in ihn hineingerannt wäre. Überrascht stoppte ich.
    „Du warst der, der mir die Leviten gelesen hat und mir klarmachte, dass das, was ich tat, nicht in Ordnung war. Und nun machst du denselben Fehler.“
    „Den mache ich nicht. Den kann ich nicht machen, denn man lässt mich ja nicht.“
    „Vielleicht ist es manchmal doch besser, dir deinen Willen nicht zu lassen“, sagte Tod.
    „Menschen sollten nicht entscheiden dürfen, wann sie sterben wollen“, unterstrich ich meinen Punkt.
    „Dann dürftest du mit deinem Tod in ein paar Jahren ja einverstanden sein.“ Thanatos schaute verträumt auf seine Fingernägel, während er dies sagte.
    Da ich bereits weitergegangen war, drehte ich mich zu ihm um. Ich wollte irgendwas Gemeines sagen, aber mir fiel partout nichts ein, was ich ihm an den Kopf werfen konnte. Stattdessen tauchte nur dieses flaue Gefühl in meinem Magen auf, das sich jedes Mal einstellte, wenn ich an meinen eigenen, kurz bevorstehenden Tod dachte.
    „Du bist so sehr damit beschäftigt, andere Leute vor dem Tod zu retten, dass ich nur annehmen kann, dass du nach einer Möglichkeit suchst, für dich selbst einen Ausweg zu finden. Stimmt das so ungefähr?“
    Ich war noch immer sprachlos. Aber als Tod diese Worte ausgesprochen hatte, war mir klar, dass er recht hatte. Ich hatte die Hoffnung, irgendwie den Tod zu besiegen, nie aufgegeben.
    „Du brauchst mir nicht zu antworten“, sagte Tod. „Mir ist klar, dass du immer noch dem Glauben nachhängst, dass du es vermeiden kannst. Aber alles, was du tun kannst, ist, es aufzuschieben. Die Frau dort oben auf dem Zimmer hat das eingesehen und versucht mit dem letzten bisschen Würde abzutreten, das ihr noch geblieben ist. Und du versuchst ihr das zu verwehren.“
    Ich stand dort auf dem Weg und fühlte mich schlecht. Hatte ich mich so sehr in die Sache hineingesteigert? Für einen Moment standen wir beide nur herum und sagten nichts. Tod zog eine Augenbraue hoch und war dann verschwunden.
    Am nächsten Tag ging ich in das Zimmer von Frau Baranski, um mich für mein Verhalten zu entschuldigen. Sie wollte davon nichts hören und sie war mir auch keineswegs böse. Sie nannte mich lediglich übereifrig und verstand, dass es meine Aufgabe war, Leuten zu helfen. Tod lehnte am Schrank in der Ecke und lächelte, als ich mich verabschiedete, um nach anderen Patienten zu sehen.
    Frau Baranski starb nach knappen drei Monaten friedlich im morphinlastigen Schlaf.

Kapitel 50
    Während Frau Baranski den Weg alles Irdischen ging, erfreute sich Tobias des Lebens. Ich hatte das Gefühl, dass ich ihm beim Wachsen zuschauen konnte. Hatten wir gerade erst seinen ersten Geburtstag gefeiert, standen auch schon sein zweiter und dritter vor der Tür. Wenn mir etwas daran nicht gefiel, dann war es die Tatsache, dass ich nicht genug Zeit mit ihm verbringen konnte.
    Anja hatte schon längst wieder angefangen zu arbeiten, und im Grunde lief alles bei uns wunderbar. Nur manchmal kamen Spannungen auf, wenn Anja andeutete, dass sie gerne noch ein zweites Kind hätte. Ich wiegelte jedes Mal ab, dass es doch zu viel Arbeit sei, aber sie fand das albern. Natürlich hatte sie recht, aber ich konnte ihr schlecht sagen, dass sie vier Jahre später alleine für zwei Kinder sorgen müsste.
    Es ging so weit, dass es unangenehm wurde, wenn wir Sex miteinander hatten. Ich wurde

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