Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens
er immer noch mit Anja zusammen, zumindest soweit ich wusste. Wenn sie sich getrennt hätten, hätte ich mit Sicherheit davon gehört. Die Gerüchteküche brodelte immer, und man bekam mit, wer mit wem was hatte, ob man wollte oder nicht. Frank wusste das sicher auch, was es umso sonderbarer machte, dass er ganz offen Nachrichten und Blicke mit Astrid austauschte. Vermutlich wollte er von Astrid etwas ganz Bestimmtes, wenn man dem Ruf Astrids Glauben schenkte, der größtenteils von den Jungs weitergetragen wurde, die auf all die coolen Partys gingen, auf die ich zum Beispiel nie eingeladen wurde. Allerdings bin ich mir ziemlich sicher, dass zumindest an dem Gerücht mit dem Esel nie wirklich etwas Wahres dran war.
Nach der Doppelstunde klingelte es zur großen Pause, und aus einer stillen Ecke des Hofes beobachtete ich Frank. Wie gewöhnlich traf er sich mit Anja an dem großen Baum, es gab einen kleinen Kuss, und dann schien sich jeder mit seinen eigenen Freunden zu unterhalten. Astrid stand mit einer anderen Truppe ein paar Meter entfernt und schaute unverhohlen zu Frank herüber, der mit seinen Blicken allerdings wesentlich subtiler war.
„Na, überlegst du, ob du ihr sagen solltest, dass ihr Freund sie betrügt?“
Tod war urplötzlich neben mir aufgetaucht, und ich musste wieder einmal meinen Puls auf Normalmaß runterregeln.
„Verdammt noch mal, hör auf, mich immer so zu erschrecken. Irgendwann bleibt mir das Herz stehen“, sagte ich vorwurfsvoll.
„Glaub mir, daran wirst du nicht sterben.“
Ich seufzte. „Warum hast du dich nicht gestern gemeldet, als ich Zeit hatte. Jetzt ist wieder ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt.“
„Bei dir sind immer alle Zeitpunkte ungünstig, oder?“
„Ich wäre halt froh, wenn die Leute, die dich nicht sehen können, nicht denken würden, dass ich bescheuert bin.“
„Wer weiß, vielleicht denken sie es ja bereits.“
„Witzig.“
„Also, wirst du es ihr sagen?“
„Was? Anja? Dass Frank sie betrügt?“
„Ja.“
Ich grübelte nach. „Ich hab es zwar gesehen, aber ich kann es ihr ja kaum beweisen.“
„Was hast du gesehen?“
„Er schreibt Astrid Zettelchen, und sie werfen sich vielsagende Blicke zu.“
„Vielsagend. Hört, hört.“
„Was?“
„Du weißt es also nicht genau.“
„Was weiß ich nicht genau?“
„Ob er sie betrügt oder nicht.“
„Na ja, es ist doch recht offensichtlich.“
„Zettelchen und vielsagende Blicke?“
„Na ja, ich weiß nicht, ob sie miteinander schlafen oder so was, aber das ist doch schon mal ein Indiz.“
Tod lächelte. „Also, noch mal die Frage: Wirst du es ihr sagen oder nicht?“
Ich seufzte. Anja hatte es nicht verdient, dass ihr Freund so mit ihr umsprang, aber eigentlich ging es mich gar nichts an. Natürlich bestünde die Chance, dass sie wieder solo wäre, was eventuell eine Chance, wenn auch eine ganz kleine, für mich bedeuten würde. Ich seufzte erneut.
„Lass es“, sagte Tod.
Ich schaute ihn an.
„Wenn du dich so lange wie ich auf dieser Erde herumgetrieben hast, dann wirst du lernen, dass manchmal eben doch der Überbringer der Nachricht dran glauben muss. Du wärst immer derjenige, der dafür gesorgt hat, dass sie ihre erste große Liebe verloren hat.“
Ich schaute hinüber zu Anja, die gerade herzlich lachte und sich dabei die Haare hinter die Ohren strich. Es war diese typische Bewegung, die mir einen kleinen Stich ins Herz versetzte und die meine Gefühle für Anja erneut aufleben ließ.
„Außerdem dachte ich, dass du bereits ein Weib hättest“, sagte Tod und spielte mit dem Kescher herum.
Ich glaube, ich lief bei der Erwähnung von Conny rot an. Ich machte zwar meinen Mund auf und zu, aber es kamen keine Worte heraus.
„Da stellt sich doch die Frage, ob er so viel schlimmer ist als du, nicht wahr?“, sagte Tod.
Ich erwiderte nichts.
„Wenn es dich beruhigt …“, setzte er fort, „… sie wird es bald ganz von allein herausbekommen. Es gibt eine Menge Tränen, aber auch das wird bald vergessen sein. Frank und Astrid werden übrigens zusammenkommen und den Rest ihres Lebens miteinander verbringen. Zumindest das restliche Leben von Astrid.“
Ich schaute Tod an. Er machte den Eindruck, als könnte er sich gerade nicht entscheiden, ob er unendlich amüsiert oder unendlich traurig sein müsste.
„Brustkrebs“, sagte er und zuckte mit den Schultern. „Keine schöne Sache. Vorsorgeuntersuchungen helfen.“
Die Glocke läutete zum Ende der Pause, und ich
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