Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens
starrte Tod noch immer an, der Astrid und Frank mit den Augen verfolgte, wie sie zur Schultür gingen.
„Ich glaube, du musst wieder zum Unterricht.“
„Ach, ja. Sport.“
„Ja, pass auf dich auf. Heute ist Speerwurf dran.“
Ich riss meinen Kopf mit schreckgeweiteten Augen herum, aber Tod hatte sich bereits wieder in Luft aufgelöst.
Kapitel 11
Unser Sportlehrer, Herr Matte, war ein großgewachsener, sportlicher Kerl mit einem breiten Schnauzer. In den Sommermonaten hatte er öfter Muskelshirts an, die seinen Oberkörper betonten, den man am ehesten mit dem von Superman vergleichen könnte, wenn dieser ausgeprägte Brustbehaarung gehabt hätte. Im Grunde hätte er besser bei den Village People mitmachen können, um die fehlende Rolle des Sportlehrers auszufüllen, allerdings war Herr Matte zu heterosexuell für die Band.
Er hatte uns zu dem großen Sportplatz, der etwa einen Kilometer von der Schule weg war, gelotst und wollte uns Speerwurf beibringen. Eigentlich wollte ich noch vor Unterrichtsbeginn mit Herrn Matte sprechen, aber er verscheuchte mich nur und meinte, dass ich mich beeilen sollte. So standen wir alle auf dem Platz und lauschten seinem Vortrag über Sicherheit beim Speerwurf. Ich bemerkte ein paar Blicke von Schülern, die meine Vergangenheit kannten, aber keiner sprach ein Wort. Wir wussten alle, dass Herr Matte manchmal recht impulsiv werden konnte.
Schließlich sollten wir alle einen Speer nehmen und uns an der Rasenkante aufstellen. Ich blieb stehen, wo ich war, und rührte mich nicht vom Fleck.
„Nun mach schon, Martin“, sagte Herr Matte.
„Nein, ich verzichte“, entgegnete ich.
„Nimm jetzt einen Speer und stell dich neben die anderen.“
„Nein.“
„Wie bitte?“
„Ich werde nicht an den Übungen zum Speerwurf teilnehmen.“
„Heißt das, dass du den Unterricht verweigern willst?“
„Wenn Sie das so nennen wollen.“
Mittlerweile hatten sich die anderen Schüler zu uns umgedreht und starrten uns an.
„Wenn ich vielleicht erklären dürfte, weswegen ich …“
Herr Matte stand schon mit hochrotem Kopf vor mir. Die Adern an seinem Hals sprangen hervor und pulsierten.
„Du gehst jetzt sofort da rüber, nimmst dir einen Speer und stellst dich zu den anderen, sonst kriegst du richtig Ärger.“ Herr Matte wurde langsam lauter.
„Nun lassen Sie mich doch erst mal erklären …“
„Ich will deine fadenscheinige Erklärung nicht hören. Du tust jetzt, was ich sage.“
„Ich dachte, wir wären hier in der Schule und nicht beim Militär.“
„Sehr witzig. Mal sehen, wie witzig du es findest, wenn du am Ende des Jahres eine Fünf in Sport auf dem Zeugnis stehen hast. Außerdem ist ein Tadel angebracht, finde ich.“ Er spuckte mich fast an, als er mir das ins Gesicht schrie.
Einen Moment lang schluckte ich. Eine Fünf auf dem Zeugnis wäre nicht gut. In Sport war ich ohnehin ein Vierer-Kandidat, und die Zensur scherte mich denkbar wenig, aber da ich in Französisch auf Vier minus stand, bestand die Gefahr, mit zwei Fünfen auf dem Zeugnis zu landen. Damit war die Chance sitzenzubleiben relativ hoch. Aber ich hatte einen guten Grund, weswegen ich keinen Speerwurf machen wollte. Ich nahm meinen Mut zusammen.
„Wenn Sie Ihre feuchte Aussprache nicht zügeln können, dann werde ich mich bei der Schulleitung über Sie beschweren. Ich wollte Ihnen erklären, dass ich einen guten Grund habe, nicht am Unterricht teilzunehmen, aber Sie wollen mir nicht zuhören.“
Daraufhin ließ er mich einfach stehen und ging zu den anderen Schülern. Mir war ganz schön flau im Magen. Ich setzte mich auf einen Treppenabsatz in der Nähe und schaute zu. Herr Matte würdigte mich keines Blickes, obwohl ich ihn nicht aus den Augen ließ.
Die ersten Speere wurden geworfen. Innerlich war ich sehr angespannt, aber es passierte nichts. Nach der zweiten Runde, bei der Herr Matte einigen Schülern Tipps gab, wie sie ihre Position und Stellung verbessern könnten, sah ich schließlich den vertrauten Umhang von Tod am anderen Ende des Platzes stehen. Panik kam in mir auf.
Außer Herrn Matte und seinen Schülern war niemand auf der Rasenfläche oder der dazugehörigen Laufbahn. Aber der Platzwart trieb sich am Schuppen am anderen Ende herum.
Die Schüler nahmen wieder ihre Stellung ein, und Herr Matte begab sich ans Ende der Reihe, um das Signal zu geben, als ich aufsprang.
Ich fühlte mich, als ob ich in Zeitlupe rannte. Herr Matte hatte den Arm oben und senkte ihn langsam. Wenn
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