Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens
dazu in der Lage wäre, sich selbst eine Kugel in den Kopf zu jagen. Damm war ein lustiger, lebensbejahender Mensch, der Probleme mit Hilfe des Konsums von leichten Drogen aussaß. Er liebte seine Freundin, seine Freundin liebte ihn, alles war eitel Sonnenschein.
Eines Tages erwischte er seine Freundin mit seinem besten Freund im Bett – der Klassiker. Ein Wort gab das andere, und sie warf ihn aus der Wohnung, die sie zwar gemeinsam bewohnten, die aber eigentlich ihre war. Übers Wochenende schaffte er ein paar seiner Sachen zu seinen Eltern, und am Sonntagabend schlug er wieder in der Kaserne auf. Nachdem ich seine Geschichte gehört hatte und sah, wie er darunter litt, war mir klar, was ich in den nächsten Tagen zu erwarten hatte. Mein Stresslevel stieg überproportional an.
Am Montagabend wurde ich Zeuge, wie Damm versuchte, seine Freundin am Telefon zu überreden, dass sie es eventuell noch einmal miteinander probieren sollten. Sie war jedoch anderer Meinung, und meine inneren Alarmglocken begannen ohne Unterlass zu schrillen. Irgendwann gingen Damm und uns anderen, die ihm mit Münzen aushalfen, das Kleingeld aus. Ich bot an, mehr Kleingeld aus dem Unteroffiziersheim zu holen, aber die anderen meinten, man müsse den Tatsachen ins Auge sehen. Kruppa erklärte Damm, dass nicht er um eine zweite Chance bitten sollte, sondern sie. Der Konsens war, dass alle schon mal Liebeskummer hatten und wussten, dass es zwar scheiße, aber nur vorübergehend ist. Der allseits beliebte Spruch „Andere Mütter haben auch schöne Töchter“ fiel, wenn ich auch nicht mehr weiß, von wem. Meiner Ansicht nach einer der unpassendsten Sätze in so einer Situation. Man wird von jemandem, den man liebt, verlassen und soll sich damit trösten, dass es andere schöne Frauen gibt, obwohl man doch genau in diese eine verliebt ist.
An jenem Abend verwickelte ich Damm immer wieder ins Gespräch, in der Hoffnung, dass er sich alles von der Seele reden würde, aber erstens waren Kruppa und Remmler mittlerweile seiner Ausführungen, die Kruppa als „weicheiisch“ bezeichnete, überdrüssig, und zweitens hatte Damm selbst bald die Schnauze voll und zog es vor, stumm dazuliegen und die Unterseite von Kruppas Matratze anzustarren. Mir blieb nichts weiter übrig, als hellwach im Bett liegen zu bleiben, denn an Schlaf war nicht zu denken. Meine Hände zitterten. Am nächsten Tag war ein Termin auf dem Schießplatz angesetzt.
***
Am Morgen war Damm so still, wie er noch nie gewesen war. Er stand zum ersten Mal rechtzeitig auf und rasierte sich gewissenhaft. Ausnahmsweise war er nicht der Letzte, der zum Appell vor die Batterie trat. Ich versuchte mit ihm zu sprechen, während wir vor der Waffenkammer auf unsere G3-Gewehre warteten, aber er stellte sich taub. Je ruhiger er wurde, umso nervöser wurde ich.
Da ich bei Damm nicht weiterkam, sprach ich Kruppa, Remmler und sogar unseren Gruppenführer Anselm auf meine Befürchtungen an. Anselm fragte Damm geradeheraus, ob er klarkommen würde, und als Damm bejahte, war die Sache für den Gruppenführer erledigt. Verzweifelt wandte ich mich danach an unseren Zugführer und bat darum, an Damm keine Munition auszugeben. Schließlich schnauzte mich Damm an, ich möge mich doch um meinen eigenen Scheiß kümmern, woraufhin auch Landvogt die Sache abhakte. Wir führten unsere Schießübungen wie üblich aus, wobei ich Damm ständig im Auge behielt, wenn ich nicht gerade selbst an der Reihe war. Ich traf an diesem Tag fast gar nicht. Anselms Kommentar dazu war lediglich, ich solle mich zusammenreißen. Dann marschierten – in manchen Fällen schlurften – wir die drei Kilometer bis zur Kaserne zurück.
Vor der Batterie gab es die übliche Prozedur zur Überprüfung der Waffen. Die Restmunition wurde eingesammelt, die Magazine kontrolliert und ein Blick in den offenen Verschluss der Waffe geworfen. Alle Waffen und Magazine waren leer. Also wurde uns befohlen, wie immer die Waffen auf dem Flur zu putzen.
Auch hier versuchte ich Damm im Auge zu behalten und wollte mich neben ihn setzen, aber Damm hatte bereits dafür gesorgt, dass Kruppa und Remmler ihn flankierten. Kurz streiften sich unsere Blicke, und ich murmelte nur: „Tu’s nicht.“ Er schaute mich daraufhin nicht mehr an.
Alle zerlegten die Waffen in ihre Einzelteile, ölten Teile, zogen Stoff durch das Rohr, um Rückstände des Schießpulvers zu beseitigen, und setzten sie dann wieder zusammen. Ich war nur halb bei der Sache, weil ich immer
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