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Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens

Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens

Titel: Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Niedlich
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stieg aufs Gas und ließ mich schnell nach dem Sicherheitsgurt greifen. „Also, ist ja noch früh am Abend, und ich habe mir gedacht, dass wir zuerst ins Kino gehen oder so. Hab schon ewig keinen Film mehr gesehen. Danach könnten wir uns dann noch schnell ’nen Burger oder so reinpfeifen, und dann geht’s in die Disco. Oder so.“
    „Oder so“, sagte ich und zuckte mit den Schultern.
    Wie sich herausstellte, handelte es sich bei dem Film um „Funny Games“, den sie ausgewählt hatte, weil sie sich zum einen keinen „Hollywood-Scheiß“ (Original-Ton) ansehen wollte und zum anderen annahm, dass es sich dabei um eine Komödie handelte. In Wahrheit war es ein Film über zwei psychotische Killer, die eine Familie gefangen nehmen und über die Dauer des Films foltern. Mehr als einmal fasste mir Simone ans Bein, schaute zu mir rüber und entschuldigte sich dafür, dass wir ausgerechnet in diesen Film gegangen waren. Eigentlich gefiel mir der Film auf gewisse Weise sogar, aber er war im Grunde die passende Einleitung zu dem Desaster, zu dem dieser Abend werden sollte.
    Nach dem Film scherzte Simone, dass ihr der Appetit vergangen sei und sie sich eigentlich nur noch besaufen wolle. So fuhren wir ohne Umweg zu der Disco, die sich Simone ausgesucht hatte. Selbstverständlich war es auch genau die Art von Disco, in die ich nie freiwillig gegangen wäre. Simone insistierte, dass es ein super Ort zum „Kerle-Abschleppen“ wäre. Ich versuchte ihr klarzumachen, dass ich weder daran interessiert war, Kerle noch Frauen abzuschleppen.
    „Nun sei kein Spielverderber. Bleib einfach locker und lass dich überraschen“, war ihre Devise, während sie mich mitzog und uns zwei Cocktails bestellte.
    „Zum Warmwerden“, erklärte sie.
    Seit dem Gehirnzellenmassaker, das ich vor Jahren mit meinem Vater angestellt hatte, hatte ich keinen Tropfen Alkohol mehr angerührt. Und tatsächlich sollte dieser Cocktail und ein kleineres Wodka-Getränk alles bleiben, was ich an diesem Tag zu mir nahm. Aber ich war überhaupt nichts gewohnt und der Barkeeper, der es offenbar gut mit Simone gemeint hatte, war nicht geizig mit dem Alkohol. Nach kurzer Zeit war ich zwar nicht volltrunken, aber immerhin angesäuselt … und wesentlich lockerer. Ich fand mich auf der Tanzfläche wieder, wo ich zu Songs herumhüpfte, die ich eigentlich gar nicht ausstehen konnte. Simone legte sich ins Zeug und stellte mir Frauen vor, die zumindest so lange Interesse zeigten, bis ich in meinem leicht angetrunkenen Zustand anfing, darüber Monologe zu führen, warum die alten „Star Wars“-Film-Versionen besser als die Special Editions waren. Irgendwann gab Simone sich geschlagen und versuchte nur noch, für sich selbst jemanden zu finden.
    Simone sah zwar toll aus, aber sie war eben, wer sie war. Ich schätze, ihre direkte Art schreckte einige der Typen ab, die sie sich ausgesucht hatte. Andere waren einfach mit ihren Freundinnen da und deshalb nicht interessiert. Grundsätzlich war es eventuell die Tatsache, dass sie eben nicht mehr 20 war, wie die meisten Besucher der Disco. Aber dann war da noch eine Gruppe von drei sonnenbankbraunen, gegelten Typen, die ständig zu ihr rübersahen und sich dann gemeinsam einen Weg in ihre Richtung bahnten.
    Mir war sofort unwohl, als ich sie bemerkte. Es war nicht nur einer, der etwas von ihr wollte. Simone lehnte mittlerweile auf der gegenüberliegenden Seite der Tanzfläche, sah zu mir und zuckte mit den Schultern. Ich versuchte ihr zu signalisieren, dass sie dort weggehen sollte, aber sie suchte weiter nach einem Opfer. Also beschloss ich, zu ihr zu gehen, bevor die Typen sie in die Finger kriegen konnten.
    Ich war schon fast bei ihr, als ich plötzlich eine alte, vertraute Stimme neben mir hörte.
    „Martin?“
    Ich drehte mich um. Tatsächlich, da stand Anja.
    „Martin! Schön … zu sehen!“, sagte sie und umarmte mich. „Dass ich … rechnet hier treffe.“ Sie musste fast brüllen, damit ich sie verstand.
    „Ja, wie geht’s dir? Was machst du hier überhaupt? Was ist mit Heidelberg?“
    „Bin fertig … Referendariat hier in Berlin … Hatte Heimweh.“
    „Ah“, sagte ich, geistig halb abwesend. Ich hatte Simone aus den Augen verloren und hörte die Sätze von Anja nur bruchstückhaft bei dem Lärm.
    „Warum … nicht … geschrieben?“, hörte ich Anja sagen.
    „Ich hatte den Eindruck, dass du mit anderen Dingen beschäftigt warst.“
    „Was?“, fragte Anja, und ich wusste nicht, wie ich ihr in

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