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Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens

Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens

Titel: Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Niedlich
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Thanatos: „Du hättest den Kerl getötet, um ein anderes Menschenleben zu retten. Das eine ist dir zunächst einmal gelungen. Das Mädchen lebt. Aber welchen Preis würdest du dafür bezahlen? Du wolltest Richter darüber sein, wer das Leben verdient und wer den Tod. Wenn du dich dazu imstande siehst, dann könntest du auch meine Arbeit übernehmen.“
    Ich erhob mich wieder. „Obwohl der Typ die Prügel echt herausgefordert hat, hätte er definitiv nicht den Tod verdient. Wenn er gestorben wäre, hätte ich mir das nie mehr verzeihen können.“
    Tod rollte mit den Augen. Mir selbst kamen meine Worte etwas hohl vor nach dem, was ich getan hatte.
    „Aber ich wollte ihn nicht umbringen. Ich will nicht Richter über Leben und Tod sein“, ergänzte ich. „Ich fühle mich gerade wie der letzte Dreck. Am liebsten würde ich im Boden versinken.“
    Tod schmatzte und zog zweifelnd eine Augenbraue hoch.
    „Aber genau das ist Mitgefühl. Menschlichkeit. Was übrigens immer noch der Grund ist, weshalb ich deinen Job nicht machen will.“
    „Wobei ich immer noch nicht verkleidet umhergehe und Leute umbringe.“ Er sah an seiner Kluft herab. „Nun ja, zumindest Letzteres nicht. Was hast du jetzt vor? Wirst du die Gaben, die du erhalten hast, dazu einsetzen, um der Menschheit von nun als maskierter Rächer zu dienen?“
    Mir war hundeelend – und Tod machte sich auch noch über mich lustig.
    „Deine Klugscheißerei kotzt mich wirklich an. Spielst du jetzt mein Gewissen, Jiminy Cricket?“, blökte ich ihm entgegen. „Oh, natürlich, du tust ja keiner Fliege was zuleide, wartest nur, bis das Schicksal zuschlägt. Ach, warte, nein, du hast ja dafür gesorgt, dass Gerrit gestorben ist.“
    „War es nicht sein Schicksal?“
    „Du lügst dir doch ins eigene Hemd. Und selbst wenn? Was wäre, wenn ich weiter eingreifen würde? Wäre das schlimm? Vielleicht kann ich so ein paar Morde verhindern.“
    „Und dabei selber welche begehen?“
    „Nein, verdammt noch mal. Und der Typ ist ja auch nicht gestorben, richtig?“
    „Dieser nicht, aber vielleicht hast du beim nächsten Mal mehr Glück, wer weiß?“
    „Sprichst du jetzt eigentlich nur noch in Fragesätzen?“
    „Ich will dich nur warnen. Du bist kein Superheld. Letzten Endes wirst du nur Leid erzeugen. Bei anderen oder gar bei dir selbst.“
    „Ja, verdammt, ich hab’s verstanden. Lass mich … einfach … in Frieden. Ich will jetzt nur noch nach Hause.“
    Ohne ein weiteres Wort verschwand Tod vor meinen Augen.
    Als ich nach Hause kam, stellte ich den Schläger wieder an seinen Platz und legte mich ins Bett. Ich brauchte eine Weile, bis sich meine zitternden Hände beruhigt hatten.

Kapitel 30
    Tod konnte mir so viel erzählen, wie er wollte. Ich hatte nicht vor, ihm noch einmal zuzuhören. Mich selbst plagten Gewissensbisse, aber es stellte sich heraus, dass der Kerl, den ich angegriffen hatte, zwar mit ein paar Knochenbrüchen zu kämpfen hatte, ansonsten aber keine bleibenden Schäden davontragen würde. Zum Teil verspürte ich Genugtuung darüber, dass der Typ Schmerzen hatte, aber überwiegend bedauerte ich, wie sehr ich mich an dem Abend hatte gehenlassen.
    Ein paar Tage lang dachte ich tatsächlich darüber nach, dass ich mit Tods Fähigkeiten einen recht ordentlichen Superhelden abgeben würde. Ich konnte zwar nicht fliegen, aber immerhin von einem Ort zum anderen springen. Und über das Wasser gehen, wenn ich wollte. Ich skizzierte sogar einen Kostümentwurf auf einem Schreibblock und warf ihn aber gleich wieder weg, denn das war nun wirklich eine bescheuerte Idee. Die Tatsache allerdings, dass die Frau, die ich gerettet hatte, ihren Exfreund im Krankenhaus besuchte und offenbar drauf und dran war, sich wieder mit ihm zu versöhnen, machte mich fast verrückt und mir vor allem klar, dass meine Karriere als unbekannter Rächer somit schon beendet war, bevor sie überhaupt angefangen hatte. Es war vermutlich das Beste für mich, dass mein Praktikum so gut wie vorbei war und ich mich voll aufs Studium konzentrieren musste. Bald würde ich einfach keine Zeit mehr haben, kindischen Ideen nachzuhängen.
    Im Grunde gibt es über meine ersten beiden Jahre im Studium nicht viel zu berichten. In erster Linie beschränkte sich mein Leben darauf, zur Uni zu gehen, nach Hause zu kommen, dicke Fachbücher zu lesen und zu lernen. Meine Eltern erinnerten mich gelegentlich daran, dass ich das Essen nicht vergessen sollte. Ich kann nicht behaupten, dass diese Jahre

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