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Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens

Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens

Titel: Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Niedlich
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noch mit ihrem Studium beschäftigt war, mir bei meinem zu helfen, und hielt mich davon ab, den Verstand zu verlieren, wenn ich mal den Eindruck hatte, dass mir gleich der Kopf vor lauter Wissen platzen würde. Sie ging mit mir ins Kino, nahm mich mit auf Partys und verwandelte mich zu mancher Zeit in etwas, das man als einen sozial aktiven Menschen bezeichnen könnte.
    Sie beendete ihr Studium gegen Ende 1998, und es gelang ihr tatsächlich, zum Beginn des Schulhalbjahres Anfang 1999 eine Stelle an einer Grundschule zu finden, an der ein Lehrer überraschend verstorben war. Die Stelle war zunächst befristet, aber immerhin besser als nichts. Es war nun klar, dass sie genug verdienen würde, um sich eine eigene Wohnung zu leisten. Wir waren wohl beide froh, dass es in Zukunft einen Ort geben würde, an dem wir auch mal ungestört wären. In Anbetracht der Tatsache, dass wir beide noch bei unseren Eltern wohnten, empfand zumindest ich es immer als etwas unangenehm, wenn sie bei mir oder ich bei ihr übernachtete. Nicht, dass ich das nicht wollte, ganz im Gegenteil, aber bei mir daheim trennte uns nur eine dünne Holztür vom Flur und dem Schlafzimmer meiner Eltern. Der Sex wurde somit eher zu einer Übung darin, möglichst wenig Geräusche zu machen, was der ganzen Sache irgendwie den Spaß nahm. Im Haus ihrer Eltern sah das etwas besser aus, aber dort stand ich morgens dann immer ihrer Mutter gegenüber, die mich noch nie richtig leiden konnte und welche die Nase so weit oben trug, dass sie an der Spitze des Empire State Buildings riechen konnte. Der Vater war nicht viel besser, akzeptierte mich aber irgendwann, auch wenn beiden Elternteilen wohl ein Banker oder Beamter lieber gewesen wäre.
    Bis dahin war ich immer davon ausgegangen, dass Anja sich eine Wohnung nehmen würde und ich gelegentlich bei ihr vorbeischauen würde. Anja wollte allerdings von Anfang an mit mir zusammenziehen. Ich war gespalten, denn da ich praktisch kein Einkommen hatte, war klar, dass sie das Geld für die Miete, das Essen und alles andere aufbringen müsste. Ihre Eltern waren ebenfalls nicht begeistert, dass sie mich im Grunde aushalten wollte, und versuchten, ihr die Sache auszureden. Meinen Eltern war es egal, solange mein Studium nicht darunter leiden würde.
    Im Frühjahr 1999 fanden wir eine Wohnung in Charlottenburg, die groß genug für uns beide und bezahlbar war. Ihre Eltern sorgten dafür, dass Anja Hauptmieterin wurde, so dass es keinen Stress geben würde, falls wir uns trennten. Den Gefallen taten wir ihnen nicht. Stattdessen zogen wir in unsere erste eigene Wohnung und feierten es damit, dass wir in allen Räumen so laut miteinander schliefen, dass in den Geschäften der Nachbarschaft sämtliche Ohrenstöpsel ausverkauft waren. Obwohl wir nur die alte Couch aus ihrem Zimmer hatten und auf einer Matratze auf dem Boden schliefen, war es für uns eine tolle Zeit. Und dann wurde mein Vater krank.

Kapitel 37
    Kurz nachdem Anja und ich zusammengezogen waren, bekam mein Vater des Öfteren Bauchschmerzen. Ich versuchte ihm mehr Informationen zu entlocken, immerhin war ich auf dem besten Weg, Mediziner zu werden, aber aus den spärlichen Dingen, die mein Vater von sich gab, konnte ich nichts Konkretes schließen. Meine Nervosität wuchs, weil ich immer an meine Vision denken musste, aber selbst nachdem ich diese noch einmal zuließ, konnte ich nicht sagen, ob ich nun wirklich Angst haben musste oder nicht.
    Er ließ sich nicht beirren und war der Meinung, dass er „nur was Falsches gegessen“ habe. Als er dann aber Fieber bekam, hatte ich einen Verdacht und bestand darauf, dass er ins Krankenhaus gehen sollte.
    Ich schwänzte ein paar Vorlesungen, um ihn selber ins Waldkrankenhaus bringen zu können. Bei der vielen Zeit, die ich dort verbracht hatte, rechnete ich damit, von den Ärzten bessere Antworten zu bekommen als das normale Blabla. Also gingen wir zur Notaufnahme, wo ich hoffte, eventuell schneller dranzukommen, aber wir mussten warten wie alle anderen. Mein Vater war ohnehin nörgelig, weil er gar nicht ins Krankenhaus wollte, und nun konnte ich nicht mal dafür sorgen, dass es schneller ging. Der Gesprächsstoff ging uns relativ bald aus, und ich ging zum Automaten auf dem Flur, weil ich meinem Vater und mir etwas zu trinken holen wollte.
    Einige Ärzte und Schwestern kamen aus der Notaufnahme und wirkten reichlich nervös. Kurz darauf fuhr ein Krankenwagen vor, und eine werdende Mutter wurde auf einer Fahrtrage

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