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Der Tod Verhandelt Nicht

Der Tod Verhandelt Nicht

Titel: Der Tod Verhandelt Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruno Morchio
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Angst bebender Stimme.
    »So, wie die geschossen haben, würde ich das nicht sagen. Vielleicht wollten sie mich bloß auf eine falsche Fährte locken.«
    Virgilio hatte sich einen zweiten Grappa eingeschenkt. »Und auf welche?«
    »Vielleicht sollte ich denken, dass Valentino Sanna wirklich hier ist, obwohl das gar nicht stimmt.«
    »Sanna könnte Komplizen haben.«
    »Komplizen, ein Boot, das zur Flucht bereitsteht, zwei halb automatische Pistolen. Wenn das so ist, dann haben wir es mit einem Komplott zu tun.«
    Mit halb geschlossenen Augen nahm Virgilio einen Schluck von dem
abbardente
und stieß einen Seufzer aus, der eher von Wut als von Genuss zeugte.
    »Und wenn Otello Ganci dahintersteckt?«
    »Schon wieder der? Du entwickelst ja eine richtige Besessenheit.«
    »Virgilio war dieser Mann noch nie ganz geheuer«, erklärte Angelica süffisant. »Ihm ist die Gattin wesentlich lieber.« Diese Worte zauberten ihr nun doch wieder ein leichtes Lächeln auf die Lippen.
    »Ganci ist ein Krimineller«, knurrte er, frisch angestachelt. »Sein Reichtum ist bestimmt nicht das Ergebnis eines mühsamen, arbeitsreichen Lebens.«
    »Na ja, auch das Leben eines Kriminellen ist kein Zuckerschlecken«, wandte ich ein, um ihn zu provozieren.
    »Das brauchst du mir nicht zu sagen, der ich mehr als dreißig Jahre mit solchen Typen zu tun hatte. Ich habe sie wirklich alle kennengelernt. Nach Novara und Asinara haben sie nur die gefährlichsten geschickt: Mörder, Bankräuber, Vergewaltiger, Mafiosi … Viele haben mir ihre Geschichte erzählt, und für einige von ihnen habe ich wirklich Mitgefühl empfunden. Aber nicht für Kerle wie Ganci. Der Junge hat dich nach Porto Santoru geschickt. In der Gegend besitzt Ganci ziemlich viel Land. Auch mich hat er neulich erst dort hingeschickt, um seine besten Weinstöcke zu beschneiden. Meinst du, das war ein Zufall? Ich wette mit dir, dass er es war, der dir diesen üblen Streich gespielt hat.«
    »Aber wieso?«
    »Vielleicht, um dich zu erschrecken. Dir Angst einzujagen. Damit du abhaust. Schließlich weiß er, dass deine Tochter hier ist und du sie nicht gefährden willst.«
    »Das konnte er heute früh aber noch nicht wissen.«
    »Du bist vielleicht naiv: Ganci weiß alles.«
    Draußen war das Rumoren des Windes zu hören, das einen schaudern ließ.
    Angelica, die neben mir saß, legte ihre Hand auf meinen Arm. In ihren Augen loderte das unstillbare Bedürfnis, beruhigt zu werden.
    »Bist du dir sicher, dass sie dich nicht umbringen wollten?«
    »Wenn sie mich wirklich hätten umbringen wollen, dann sind sie ganz schöne Versager. Ich habe noch nie jemanden derartig sinnlos herumballern sehen. Der Mann, der mich treffen wollte, hat nur geschossen, weil ich ihn überrascht habe. Richtige Killer arbeiten anders.«
    »Wir sollten zu den Carabinieri gehen und Anzeige erstatten«, sagte Virgilio.
    »Lieber nicht«, erwiderte ich. »Dann käme die ganze behördliche Maschinerie in Gang und ich wäre verpflichtet, mich zur Verfügung zu halten. Ich will mir die Zeit mit meiner Tochter nicht von Behördengängen vermiesen lassen.«
    »Was, wenn sie den Verletzten finden?«, wandte Angelica ein.
    »Das ist wahrscheinlich das Letzte, was passieren wird,
cara «
, antwortete Virgilio.
    »Aber er muss sich doch behandeln lassen. Dazufährt er bestimmt nach Muravera oder Lanusei ins Krankenhaus.«
    »Das wird er ganz sicher nicht tun. Irgendeine mildtätige Seele wird sich schon um ihn kümmern. Wenn er es bis aufs Boot geschafft hat, dann wird es ihm so schlecht nicht gehen. Und ein Arzt, der eine Kugel vom Kaliber 9 herausziehen kann, findet sich überall.«
    Die Worte ihres Mannes schienen Angelica überzeugt zu haben. Virgilio dagegen musterte mich immer noch prüfend. Die Uniform, die seine ganze Existenz ausgemacht hatte, hatte er wohl noch nicht endgültig abgelegt. Mein Vorhaben, keine Anzeige zu erstatten, ging ihm eindeutig gegen den Strich. Immerhin waren Schüsse gefallen, es war nicht einfach eine
belinata
gewesen, eine kleine Rauferei unter Freunden. Wenn die Sache nun eine unschöne Wendung nahm, wie hätte ich dann mein Stillschweigen in einer derart ernsten Angelegenheit rechtfertigen können?
    Während ich meinen Gedanken nachhing und mich in einer Woge aus zärtlichen Gefühlen für diesen Gefängniswärter verlor, der nichts mehr liebte als die Freiheit, kam die junge Kellnerin an unseren Tisch. Das warmherzige Lächeln, mit dem sie uns während des ganzen Abendessens bedacht

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