Der Tod Verhandelt Nicht
schaltete sich Virgilio auf Sardisch ein. Das war ein kleiner Notbehelf, denn damit erinnerte erAristarco daran, dass ich nicht irgendein ahnungsloser Tourist war. »Zi’ Arista’, erklär ihm doch bitte noch einmal, worin genau deine Geschäfte bestehen.«
»Virgi’, wir kennen uns seit dreißig Jahren, und du weißt immer noch nicht, was ich den ganzen Tag mache?«
»Das meine ich nicht, ich spreche von
diesen
Geschäften. Was hast du mit Otello Ganci und dem Sohn von Gabriele Sanna zu schaffen?«
»Ganci ist ein reicher Mann, der vielen Leuten in der Region Arbeit gibt. Wenn ihm irgendwann einmal etwas zustoßen sollte …«
»Ich habe ihn vor Kurzem gesehen. Er kam mir sehr krank vor.«
»Ja, er ist schwer krank. Er muss seine Angelegenheiten regeln, bevor er stirbt.«
»Fürchten Sie, dass ihm die Zeit davonläuft?«, fragte ich.
»Gut möglich. Wenn man die Natur machen lässt …«
»Die Natur? Oder …?«
Aristarco musterte mich argwöhnisch. Man konnte sein Misstrauen förmlich riechen, nicht mal der Mistral hatte es davontragen können.
»Ich meine, haben Sie etwas mit seinen Geschäften zu tun?«
»Ich vertrete die gegnerische Seite. Die Käufer. Was ist mit Ihnen?«
»Was soll mit mir sein?«
»Arbeiten Sie für Ganci?«
»Ich arbeite für Gabriele Sanna. Er zahlt mich dafür, dass ich seinen Sohn finde.«
»Ich habe gehört, dass Sanna und Ganci gute Freunde geblieben sind.«
»Das ist mir neu.«
»Warum soll Sannas Sohn dann hergekommen sein?«
»Was glauben Sie?«
»Nun, um sich mit einem alten Freund seines Vaters zu treffen …«
»Haben Sie sich nicht gerade noch Sorgen um die Gesundheit von Signor Ganci gemacht?«
Aristarco deutete ein Lächeln an, um den Eindruck zu überspielen, dass ich ihn in die Enge getrieben hatte.
»Natürlich mache ich mir Sorgen«, antwortete er, bemüht, überzeugend zu wirken. »Deswegen bin ich zu Ihnen gekommen. Ich habe gehofft, dass Sie mir etwas Beruhigendes sagen könnten für meine …« Er suchte nach den richtigen Worten.
»Mandanten«, schlug ich vor.
»Sagen wir lieber Kunden.«
»Ich glaube, Ihre ›Kunden‹ könnte ich damit beruhigen, dass Valentino Sanna ein guter Junge ist.«
»Aber ist das, was man sich so erzählt, wahr?«
»Dazu müsste ich erst mal wissen, wovon Sie reden.«
»Dass Gabriele Sanna mit Otello Ganci unter einer Decke steckt und die beiden Sie hergeschickt haben.«
Über Aristarcos blanken Schädel hinweg suchte ich Virgilios Blick, der ihn mit einem diabolischen Funkeln in den Augen erwiderte.
»Und wozu?«, fragte er Aristarco.
»Vielleicht, um seine Geschäfte so gut wie möglich über die Bühne zu bringen.«
»Dafür hat Ganci doch seine Frau.«
Der Geschäftsmann sagte nichts, sondern zog nur die Schultern hoch, allerdings nicht vor Kälte. Irgendetwas an ihm machte mich misstrauisch, deshalb trat ich ihm in den Weg und hinderte ihn am Weitergehen. Mit meinen knapp eins fünfundachtzig überragte ich ihn um gute zwanzig Zentimeter und hoffte, dass dieser Unterschied seine einschüchternde Wirkung nicht verfehlen würde.
»Nun hören Sie mir mal gut zu, Aristarco. Es gibt da so einige Unklarheiten, und Sie würden gut daran tun, mir mit ein paar Erklärungen weiterzuhelfen. Wieso sind Sie wirklich zu mir gekommen? Sie behaupten, dass mein Auftraggeber und Ganci unter einer Decke stecken. Wissen Sie denn überhaupt, wer mein Klient ist?«
»Ich weiß, wer und wo er ist und was er gemacht hat.« Er hatte das Kinn angehoben und sah mir direkt in die Augen. »Glauben Sie ja nicht, dass, wenn diese Gespräche Signor Ganci zu Ohren kommen würden …«
»Um dahin zu gelangen, müssten Sie ihm das Gesagte ja zutragen. Arbeiten Sie für ihn?«
»Nein! Das sagte ich doch bereits.«
»Und warum machen Sie sich dann so viele Gedanken?«
»Weil hier gewisse Leute den Zeigefinger ziemlich locker am Abzug sitzen haben«, erklärte Virgilio an seiner statt.
Aristarco drehte sich abrupt zu ihm um und runzelte die Stirn. »Was sagst du da, Virgi’?«
»Hast du die Schüsse denn nicht gehört?«
»Was für Schüsse?«
»Vorletzte Nacht, in Sarrala.«
»Ich schlafe im Dorf.«
»Jetzt komm schon, Arista’. Es kann nicht sein, dass dir niemand davon erzählt hat.«
»Ich schwör’s dir. Das war sicher nur ein Dummejungenstreich.«
»Kann sein. Aber die dummen Jungen haben echte Pistolen.«
Der Mistral schien noch stärker zu werden. Hinter den künstlichen Lichtern der Straßenlaternen
Weitere Kostenlose Bücher