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Der Tod Verhandelt Nicht

Der Tod Verhandelt Nicht

Titel: Der Tod Verhandelt Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruno Morchio
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Bisdahin war die Marina von Sarrala jahrhundertelang ein unasphaltierter Küstenweg gewesen, an dem ein paar Schafställe standen und auf den der halsbrecherisch steile Maultierweg von Tertenia mündete. Mit dem Bau der Straße war alles anders geworden. Ende der Sechziger-, Anfang der Siebzigerjahre hatte man an den Hängen von Foxi Murdegu mit dem Bau von Ferienhäusern begonnen. Irgendwann wurde die Gegend sogar in »Melisenda« umbenannt, nach der legendären Prinzessin in Edmond Rostands Drama. Jedenfalls waren auf der Rückseite dieses Lidos für die Armen, wo sich die Weideflächen und Weinberge der Familie Loi erstreckten, zahlreiche Häuser, eine Trattoria und eine Bar errichtet worden.
    Ich fuhr weiter zügig die sonnenüberflutete Straße entlang, ohne einer Menschenseele zu begegnen. Zu meiner Linken standen Eukalyptusbäume und vom Wind geschüttelter Oleander Spalier, zwischen denen immer wieder das blaue Meer aufleuchtete. Rechts von mir dichtes Strauchwerk, hier und da Schafställe und ein paar vereinzelte, über die Hügel verstreute Häuser.
    In Barisoni endete der Asphalt, und es begann eine von hohen Eukalyptusbäumen beschattete Schotterstraße. Ich war schon seit Jahren nicht mehr hier entlanggefahren und stellte erstaunt fest, dass die Häuser und die Schafställe alle restauriert und frisch gestrichen waren. Irgendwann musste ich mein Tempo drosseln, um eine Schafherde zu überholen, die zwei gelangweilt jaulende Hunde bewachten. Ein riesiger Feigenkaktus bewegte kaum sichtbar seine Schaufelblätter, und auch ein paar fleischige Agaven provozierten den Wind mitihrer stoischen Reglosigkeit. Die Straße wurde immer holpriger. An einer Stelle blieb ich mit meiner Vespa in einem Schlagloch stecken, und im ersten Moment befürchtete ich, meine Radaufhängung sei hin. Ich wusste, dass es nicht mehr weit war bis nach Porto Santoru. Wegen des erwarteten Überraschungseffekts beschloss ich, die Vespa auf einer kleinen Lichtung abzustellen und zu Fuß weiterzugehen. Ich hängte den Helm an den Haken vor der Sitzbank und steckte mir die Beretta in den Gürtel, sodass sie von meinem T-Shirt bedeckt war.
    Nach ein paar Minuten konnte ich die Ruinen von Porto Santoru sehen. Von den zwei quaderförmigen Bauten aus hatte man früher die aus dem nahe gelegenen Tagebau gewonnenen Baryt-Ladungen verschifft. Die Felsen hatten die gleiche dunkle Färbung wie das Mineral. Die Stille wurde nur vom Säuseln des Windes zwischen den Ginsterzweigen unterbrochen und von den Wellen, die sich an den Felsen brachen. Draußen auf dem Meer bot sich jedoch ein anderes Bild: Der unablässig wehende Wind peitschte die unendlich weite Wasseroberfläche, sodass es fast aussah, als legte er sie in zerzauste Falten.
    An der Felswand entlang sah ich nach unten, auf der Suche nach dem Haus, von dem mir Pietrangelo erzählt hatte. Die von einer Reihe Elektromasten gesäumte Schotterstraße, die entlang der Küste nach Quirra und Capo San Lorenzo verlief, verlor sich irgendwo in der Ferne. Ich schlug den Maultierpfad ein, der bis zu dem betonierten Platz über dem größeren der beiden Gebäude hinunterführte, als ich plötzlich im Gebüsch einen Schatten zu sehen glaubte. Ein flüchtiger Eindrucknur. Die Sonne blendete, deshalb war ich mir nicht sicher, ob ich meiner Wahrnehmung trauen konnte.
    Es war nur ein kurzer Augenblick. Ein Glitzern zwischen den Zweigen, weiter unten, ganz nah am Meer. Es bestand kein Zweifel: der Lauf einer Pistole. Ich hörte den Knall, und kurz darauf prallte der Schuss mit dem trockenen Geräusch eines Peitschenhiebes an der Felswand hinter mir ab. Ohne Echo und Widerhall. Ich warf mich auf den Boden und fiel auf eine Silberdistel, deren harte Stacheln mir in Arme und Brustkorb stachen. Im Stillen fluchend, zog ich meine Waffe, entsicherte sie und begann in die Richtung zu kriechen, aus der der Schuss gekommen war. Nach ein paar Metern signalisierte mir ein weiterer Reflex der Sonne, dass mein Gegner sich ein Stück nach unten bewegt hatte. Er musste sich hinter der Landungsbrücke versteckt haben und gab jetzt einen zweiten Schuss in meine Richtung ab. Die Schüsse sollten wohl Warnsignale sein, vielleicht wollte er mich auch nur auf Abstand halten.
    Kurz darauf folgte jedoch ein weiterer Schuss und danach noch einer. Wenn ein Jäger so ungenau schießen würde, dachte ich, dann würde er mit leeren Händen nach Hause kommen. Die Vorstellung ermutigte mich, aufzustehen und geduckt weiterzugehen.

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