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Der Tod Verhandelt Nicht

Der Tod Verhandelt Nicht

Titel: Der Tod Verhandelt Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruno Morchio
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Vorsorglich blieb ich immer im Schutz der Macchia – bis ich erneut die Pistole aufblitzen sah und sich ein weiterer Schuss im Wind verlor. Jetzt hatte ich seine Position jedoch genau bestimmt. Er hielt sich hinter den Felsen unterhalb des Betonplatzes versteckt. Deshalb beschloss ich, ihn von hinten zu überraschen.
    Geduckt hastete ich zurück zur Straße, wo ich einenschmalen Pfad entdeckte, der durch dichtes Buschwerk zum Meer hinunterführte. Seit dem letzten Schuss waren nur wenige Minuten vergangen. Wenn der mysteriöse Heckenschütze seine Position nicht verändert hatte, würde ich ihn bald sehen können.
    Den pfeifenden Wind im Ohr und darauf bedacht, kein Geräusch zu verursachen, bewegte ich mich auf den Felsvorsprung zu. Ich war fast am Rand der Klippe angelangt, als dicht neben mir ein Geräusch die Zweige vor mir erzittern ließ. Ein Wildschwein? War das Tier durch die Schießerei aufgeschreckt worden? Ich duckte mich hinter einen großen Ginsterbusch, aber nichts rührte sich mehr, und so kroch ich weiter vorwärts, den rauen Griff der Beretta in der schwitzenden Hand.
    Kurz darauf nahm ich allerdings wieder eine leichte Bewegung wahr, wie von jemandem, der nach jedem Schritt stehen bleibt und abwartet. Ich hielt den Atem an. Auf einmal hörte ich zu meiner Rechten ein leichtes Rauschen, ganz in der Nähe des Gebäudes. In einem vom Wind zerwühlten Blätterhaufen entdeckte ich einen dunklen Schatten. Da war er. Etwa zehn Meter von mir entfernt. Er wandte mir den Rücken zu. Regungslos blieb ich im Schutz eines knorrigen Ginsterbusches stehen und zielte sorgfältig. Mein Schrei, den eine heftige Windböe mitriss, traf den Mann wie eine Gewehrsalve.
    »Hände hoch und langsam aufstehen!«
    Ich hoffte, ihm jetzt ins Gesicht sehen zu können, doch wider Erwarten ließ er sich in die Büsche fallen und schoss wild um sich. Zum Glück konnte ich mich gerade noch rechtzeitig ducken. Er schoss blind drauflos, die Kugeln pfiffen haarscharf an meinen Ohrenvorbei und zerfetzten die Zweige um mich herum. Plötzlich sah ich den Reflex der Sonne auf dem Lauf und versuchte, auf seine Pistole zu zielen.
    Die Beretta verursachte nur einen leichten Rückstoß, aber ich wusste, dass ich gut gezielt hatte. Der Schrei kam unvermittelt. Der Schrei eines verletzten Tieres. Ich hatte ihn getroffen. Ich schloss die Augen und atmete tief durch. Der Wind füllte meine Lungen mit einem eiskalten Hauch. Mir lief ein Schauer über den Rücken. Ich konnte ihn gar nicht getötet haben, nicht aus dieser Entfernung, sagte ich mir und versuchte, den aufsteigenden Brechreiz zu unterdrücken.
    Auf einmal nahm ich wieder eine brüske Bewegung wahr und das Knacken von Zweigen. Das verletzte Wildschwein, das sich im dichten Gestrüpp verbarg? Die Beretta fest in der Hand, schlich ich geduckt darauf zu. Als ich nur noch wenige Meter von der Klippe entfernt war, jaulte unter mir jedoch plötzlich ein Motor auf. Ich beugte mich über den Felsvorsprung  – und konnte gerade noch ein weißes Motorboot sehen, das auf das offene Meer in Richtung Quirra hinausraste.
    An Deck war niemand zu sehen, die Kabinentür war geschlossen.
    Ich lief zu der Stelle, wo der Mann in dem Moment gestanden hatte, als ich auf ihn schoss. Einige Zweige waren abgeknickt, auf dem Boden lagen zwei ausgedrückte Zigarettenkippen. Sie waren also zu zweit gewesen: derjenige, der sich unter der Landungsbrücke versteckt und zuerst geschossen hatte, und derjenige, den ich mit meiner Pistole getroffen hatte. Ringsum waren frische Blutspuren zu sehen. Die Kugel hatteihn anscheinend nur gestreift, sonst hätte er es nicht geschafft, zu den Felsen hinunterzuklettern und ins Boot zu steigen. Im trockenen Gras entdeckte ich zwei Patronenhülsen Kaliber .45 und steckte sie in die Hosentasche. Vermutlich war noch ein dritter Mann mit von der Partie, der das Boot lenkte, überlegte ich.
    Dann kletterte ich die letzten Meter hinunter zu der Landungsbrücke und schaute mich dort ebenfalls um. Unter einem dornigen Besenginster fand ich eine dritte Patronenhülse, Kaliber 9, wie von meiner Beretta. Ich sicherte meine Pistole und steckte sie in meinen Gürtel zurück. Dann holte ich tief Luft.
    Meine Ferien auf der Insel waren bisher immer ruhig verlaufen. Bis zum allerletzten Moment, wenn ich, erholt, gelassen und den Magen voller Cannonau, die Fähre nach Genua bestieg. Es waren richtige Ferien im Kreise meiner Freunde aus Tertenia gewesen, in denen ich nicht um meine Sicherheit

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