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Der Tod Verhandelt Nicht

Der Tod Verhandelt Nicht

Titel: Der Tod Verhandelt Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruno Morchio
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klang.
    »Das werde ich«, sagte ich, worauf Ganci mir noch kurz zunickte und Aristarco mir einen an blanken Hohn grenzenden Blick zuwarf.
    Martine war inzwischen aufgestanden. »Ich begleite Sie noch hinaus, Monsieur Pagano«, säuselte sie und hakte sich bei mir ein.
    Kaum hatten wir uns ein Stück entfernt, fügte sie schelmisch hinzu: »Überlassen wir die beiden Herren ihren wichtigen Geschäften.«
    »Sie sollten sich mehr als jeder andere dafür interessieren.«
    »Man merkt, dass Sie mich nicht kennen.«
    »Schließlich erben Sie doch mal alles, oder fast.«
    »Ganci versucht mich zu kaufen, indem er mein Bankkonto bis zum Bersten füllt.«
    »Freut Sie das denn nicht? Sie können dann von hier verschwinden und sich irgendwo ein schönes Leben machen.«
    »Wenn Sie die Wahrheit hören wollen – das interessiert mich einen feuchten Kehricht.«
    »Möchten Sie lieber hierbleiben und mit Vincenzos Hilfe in Gancis Fußstapfen treten?«
    Sie antwortete mit einem schallenden Lachen, einem ordinären Gewieher, und warf den Kopf in den Nacken, während ihr Busen, der sich prall unter der Bluse abzeichnete, mit Nachdruck an meinem Ellenbogen rieb.
    »Und?«
    »Was, und?«
    »Was hat Ihr Mann zu befürchten?«
    »Das, was alle fürchten – den Tod.«
    »Und Sie? Haben Sie keine Angst davor?«
    »Mich schreckt eher das Alter.«
    »Und seinen Grundbesitz zu veräußern hilft ihm, länger zu leben?«
    »Das bildet er sich jedenfalls ein. Ganci ist der festen Überzeugung, dass alles seinen Preis hat, sogar die Tage, die er noch zu leben hat.«
    »Hat ihn jemand bedroht?«
    »Menschen wie er erzielen durch ihre Profite und Renditen erhebliche Zinsen – in Form von Hass.«
    »Darum geht’s also mit Aristarco?«
    »Ein schmutziges Geschäft, nicht wahr?«
    Eingehakt wie ein altes Liebespaar, dem die Zeit die Leidenschaft genommen hat, aber nicht den Spaß daran, das Schicksal herauszufordern, hatten wir den gesamten Garten durchquert, bis wir an den beiden Steinsäulen angelangt waren, zwischen denen eigentlich ein Tor den Besitz hätte begrenzen sollen. Letzten Endes gab es aber sowieso keine Mauern und Tore, die einen vor den Geistern der Vergangenheit schützen konnten, und das wusste wohl auch Ganci, weshalb er sich diese Investition gespart hatte.
    Ein klappriger roter Ford Escort stand davor auf dem Kies, demütig wie ein Hungerleider im Vorzimmer einer Reichenparty. Martine löste sich von meinem Arm. Bevor ich mich auf meine Vespa schwang, wollte sie mir offenbar noch etwas sagen  – doch plötzlich lehnte sie den Kopf an meine Brust. Noch während ichperplex den Geruch ihrer frisch gewaschenen Haare wahrnahm, die nach weißem Moschus dufteten, hob sie das Gesicht zu mir, als erwarte sie, jeden Moment geküsst zu werden. Vermutlich wähnte sie sich in einer Szene von ›Vom Winde verweht‹. Wind war hier ja genug vorhanden.
    »Darf ich Sie morgen besuchen kommen?«, maunzte sie wie eine schnurrende Katze, die es nach Streicheleinheiten verlangt.
    »Meine Tochter ist …«
    »Sie mögen mich nicht, stimmt’s?«
    »Nein, aber wir haben uns lange Zeit nicht gesehen. Da hat sie das Recht, ihren Vater mal ganz für sich zu haben.«
    Da löste sich Martine ohne ein weiteres Wort von mir und ging mit langsamen Schritten zurück zu ihrem Kerkermeister. Ich sah ihr nach. Der Wind schob sie voran, die Böen peitschten sie, als wollten sie ihr noch den letzten Rest ihrer Seele aus dem Leib reißen.
    Dann durchschritt ich das nicht vorhandene Tor. Ich hatte hier schon viel zu viel Zeit verloren und wollte so schnell wie möglich zurück zu Aglaja. Hier ist nichts von dem zu finden, was du suchst, sagte ich mir. Es gab kein Tor – und anscheinend auch niemanden, der bereit war, etwas zu riskieren, damit dieser ganze Reichtum nicht einfach so versandete. Selbst Otello Ganci erwartete nichts mehr. Oder vielleicht ja doch: Er erwartete wenigstens den Tod.

Der Duft ferner Erinnerungen
    Am Nachmittag besuchte ich mit Aglaja und Laura die Grotte Su Marmuri in Ulassai. Virgilio hatte mir seinen Geländewagen geborgt, in dem wir alle drei auf der vorderen Sitzbank Platz hatten.
    Die Grotte war so tief, dass man unter dem Gewölbe des Hauptraumes ein Gebäude von den Ausmaßen des Mailänder Domes hätte errichten können, hatte uns die junge sardische Reiseführerin erklärt, die uns auf der letzten Führung dieses Tages begleitete. Zum Glück war es niemandem in den Sinn gekommen, das wirklich zu tun, nicht einmal,

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