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Der Tod Verhandelt Nicht

Der Tod Verhandelt Nicht

Titel: Der Tod Verhandelt Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruno Morchio
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hast sogar trotz Aglajas Anwesenheit die Hände nicht in den Schoß gelegt.«
    »Im Grunde läuft das hier alles von ganz allein.«
    »Bist du sicher, dass du weitermachen willst?«
    »Ich habe ja noch nicht einmal richtig angefangen. Mein Auftrag ist gegenstandslos. Das Wichtigste ist, dass Sanna mir mein Honorar zahlt.«
    »Da kannst du beruhigt schlafen. Er wird pünktlich zahlen, keine Sorge, und wenn es stimmt, dass er seinen Anteil der Beute bekommt …«
    »…   dann könntest du ihn nach einem Zuschlag wegen des Mistrals fragen. Bei tausend Euro pro Tag hätte ich dann schon dreitausend verdient.«
    »Ich glaube, nicht mal da würde er rumzicken«, sagte sie und verabschiedete sich.
    Inzwischen waren wir bei Virgilios weißem Mitsubishi angelangt.
    »Pa, wo fahren wir jetzt hin?«, wollte Aglaja wissen, als sie ins Auto stieg. Irgendetwas hatte ihr die Laune verdorben.
    »Der Nachmittag ist noch lang. Am besten, wir fragen Laura, die kennt sich hier aus.«
    Virgilios Tochter schlug vor, zurück nach Tertenia zu ihren Freunden zu fahren. Aglaja stimmte vorbehaltlos zu, und ich fügte mich. Schließlich waren ein Besuch bei den Seen von Flumendosa, im Wald von Montarbu oder auf dem Areal der Vereinigten Streitkräfte in Perdasdefogu sicher nicht das, was zwei Heranwachsende als »geil« bezeichnen würden. Während wir die Straße nach Jerzu hinunterfuhren, warf ich einen Blick auf das Tal zu meiner Linken. In der Ferne schmeichelte die blaue Linie des Meeres der Landschaft mit dem Versprechen auf schönes Wetter. Ich bat meine Tochter, den Kopfhörer ihres MP 3-Players in mein Handy zu stecken, was sie mit säuerlicher Miene denn auch tat. Damit rief ich dann Pertusiello an.
    »Hast du geschlafen oder gevögelt?«, fragte er geradeheraus ohne ein Wort der Begrüßung. »Oder warum hast du um fünf Uhr nachmittags bei der Arbeit das Handy aus?«
    »Ich war in einer Grotte, da war kein Empfang.«
    »Aha, verstehe. In einer feuchten, dunklen Grotte. Du hast also gevögelt.«
    »Ich habe mit meiner Tochter die Grotte Su Marmuri besichtigt. Das soll die tiefste in ganz Europa sein.«
    Pertusiello hatte zwar nicht die Angewohnheit zu pfeifen, aber er war nicht weniger verblüfft als Gina.
    »Jawohl, Aglaja ist zu Besuch bei mir in Tertenia.«
    Es folgte ein Schweigen, das man sich mit Trompetenstößen, Trommelwirbeln und dem Klirren von Tamburinen untermalt vorstellen muss. Sozusagen die ›Ode an die Freude‹ aus der Neunten von Beethoven. Pertusiello hatte meine ganze Karriere als flüchtiger Ehemann und abwesender Vater mit einer Geduld und Wärme begleitet, zu der nur Menschen aus dem Süden fähig sind. Er hatte mir zugehört, ohne jemals zu urteilen, und mir liebevoll Mut zugesprochen, weniger mit Worten als vielmehr mit seinen Augen und Gesten. Den typischen Gesten der Menschen, die das Bedürfnis haben, in jedes Gespräch ein kunstvolles Geflecht aus Tönen des Mitgefühls und der Leidenschaft hineinzuweben. Wobei bei ihm, der hundertfünfunddreißig Kilo wog und Ähnlichkeit mit einem ewig hungrigen Dickhäuter hatte, noch ein gewisses Bauchgefühl dazukam.
    »Ist sie mit ihrer Mutter gekommen?«, fragte er beinahe schüchtern. Er schien förmlich Angst vor der Antwort zu haben.
    »Nein. Sie ist von zu Hause abgehauen.«
    »Aha.«
    Wieder beredtes, lautstarkes Schweigen, während seine und meine Gedanken einander jagten wie spielende Kinder auf der Straße.
    »Das freut mich … Sehr sogar.«
    Nichtsdestotrotz hörte ich heraus, dass er mir etwas Wichtiges mitzuteilen hatte. Und tatsächlich änderte sich gleich darauf sein Tonfall.
    »Ich habe diese kleine Recherche angestellt, um die du mich gebeten hattest.«
    »Hast du etwas Interessantes herausgefunden?«
    »Die südfranzösische Polizei hat mir einige Vorfälle zwischen 1994 und 1996 genannt, an denen italienische Staatsbürger sardischer Herkunft beteiligt waren. Zwei davon könnten dich interessieren. Zum einen der Mord an einem gewissen Giovanni Puddu, der am 20.   August 1994 in Nizza von Unbekannten umgebracht wurde, mit zwei Schüssen in den Rücken. Sie haben ihn mit einer geladenen Pistole Kaliber .22 in der Tasche gefunden, die er vermutlich nicht mehr ziehen konnte. Und dann ist noch ein zweiundzwanzigjähriger Maurer aus Mentone spurlos verschwunden, Mario Canu. Er war wenige Monate zuvor nach Frankreich gezogen und bei seinem Cousin untergekommen, einem sardischen Immigranten, der die Insel Ende der Siebzigerjahre verlassen hatte

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