Der Tod Verhandelt Nicht
warum mich Ihr Mann herbeordert hat?«
»Ich wusste ja nicht einmal, dass er Sie eingeladen hat. Ich bin vor einer halben Stunde aus Tortolì zurückgekommen.«
»Waren Sie shoppen?«
»Nein, ich habe den Vormittag in der Bank verbracht. Geschäftlich, für meinen Mann.«
»Wenn es einen ganzen Vormittag gedauert hat, scheint es ja um etwas Größeres gegangen zu sein«, sagte ich und blickte Ganci fest in die Augen.
»Sarden sind phlegmatische Menschen«, erwiderte er nur.
»Das ist ebenfalls ein Gemeinplatz.«
»Manche Gemeinplätze entsprechen der Wirklichkeit.«
»Hören Sie nicht auf ihn«, sagte Martine. »Ich musste ein paar Dinge regeln, bei denen ziemlich viel Geld im Spiel ist. Mein Mann glaubt, dass er bald sterben wird, und ist dabei, seinen kompletten Besitz zu liquidieren.«
»Liquidieren? Das heißt im Italienischen so viel wie Sachwerte in Geld umwandeln. Ich nehme an, Sie meinen, er will seine Zahlungsfähigkeit sicherstellen.«
»Sie weiß selbst nicht, was sie meint«, mischte sich Ganci ein. »Frauen haben nun mal keine Ahnung von geschäftlichen Angelegenheiten.«
Wortlos trank Martine ihren Kaffee. Aber irgendetwas passte ihr nicht, das sah man ihr an, so ließ sie sich nicht behandeln – und auf einmal tauchte in ihren Augen ein hasserfülltes Funkeln auf.
»Ach, Frauen haben keine Ahnung?«, zischte sie in einem Ton, der nur zu deutlich ihre Rachsucht widerspiegelte. »Eine halbe Million Euro für zwei Anwesen, von dem jedes für sich mindestens eine Million wert ist – das ist nicht gerade das beste Geschäft, das manabschließen kann. In Wahrheit machst du dir doch vor Angst in die Hosen.«
»Es reicht!«, brüllte Ganci nun, purpurrot im Gesicht.
Doch sie zuckte nur die Schultern und nippte weiter an ihrem Kaffee. Die Tasse bedeckte ihren Mund, aber es war nicht schwer zu erraten, welcher Ausdruck sich dahinter verbarg. Ein triumphierendes Lächeln. Sie hatte es wieder einmal geschafft, ihn kleinzumachen.
Ich hatte inzwischen ausgetrunken und erhob mich entschlossen, als von der Straße her Motorengeräusche zu uns drangen. Es war der Motor eines alten Wagens, der keuchend die Straße heraufkam. Auf einmal legte Ganci ein anderes Tempo an den Tag, als müsste er schnell noch ein bestimmtes Thema anschneiden.
»Ich habe Sie wegen Ihrer Tochter eingeladen, Signor Pagano. Sie reitet doch sicher gern, oder?«
Ich brachte zunächst kein Wort heraus. Meine Frau hatte mir in den letzten Jahren nicht erlaubt, die Hobbys meiner Tochter zu verfolgen. Von meiner Tochter wusste ich so gut wie gar nichts. Nur dass sie sich nach zehn Jahren auf den Weg zu ihrem Vater gemacht hatte.
»Wieso fragen Sie?«, sagte ich schließlich.
»Ich besitze in Tertenia einen Stall mit vier wertvollen Pferden, um die sich Vincenzo kümmert. Ihre Tochter, und natürlich auch Sie, könnten mit ihm ausreiten.«
»Danke für das Angebot. Ich werde mit Aglaja darüber sprechen.«
Der Wagen war inzwischen in die Toreinfahrt eingebogen, und die Reifen ließen den Kies im Garten knirschen.Als der Motor verstummt war, erfüllte nur noch der Mistral die Stille ringsum. Man hörte eine Autotür zuschlagen, dann schwere Schritte, die sich näherten. Ich rechnete damit, dass jeden Moment Vincenzo um die Hausecke bog – stattdessen erschien das rundliche Profil von Aristarco.
Kaum hatte er mich erblickt, als sich auf seinem Gesicht ein verächtliches Lächeln abzeichnete. Er war genauso gekleidet wie am Abend zuvor und trug eine kleine
coppola
. Vor dem Tisch nahm er die Mütze ab, um zuerst Martine, die sitzen geblieben war, und dann Ganci zu begrüßen. Die beiden blickten sich in die Augen.
»Zi’ Otello.«
»Zi’ Piergio’.«
Es war ein groteskes Begrüßungsritual mit langsamen, gemessenen Gesten, das mich an die Zeremonien der Naturvölker erinnerte.
Festlandbewohner haben den Kopf voller Klischees und halten uns Sarden immer noch für Wilde.
Schließlich drehte sich Aristarco zu mir.
»Sie auch hier, Signor …?«
»Pagano. Bacci Pagano.«
Ohne allzu große Begeisterung gab er mir die Hand.
»Entschuldigen Sie, ich habe kein gutes Namensgedächtnis.«
»Sie kennen sich?«, zwitscherte Martine.
»Wir haben uns gestern Abend bei Augusto getroffen. Virgilio hat uns bekannt gemacht«, antwortete Aristarco.
Ganci hatte die Szene aufmerksam beobachtet.»Okay, Signor Pagano, dann geben Sie mir also so schnell wie möglich Bescheid«, sagte er nun so schroff, dass es wie eine Verabschiedung
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