Der Tod Verhandelt Nicht
nachdem die größte Witzfigur unter den Politikern sich zweihundert Kilometer weiter nördlich eine pompöse Villa am Meer hatte bauen lassen, eine Verschandelung der Umwelt, die praktischerweise durch die Wahrung des Staatsgeheimnisses gedeckt wurde.
Kaum waren wir wieder ans Tageslicht getreten, fing mein Handy an, im Sekundentakt entgangene Anrufe zu vermelden. Während ich mich im kalten feuchten Bauch des Berges aufgehalten hatte, hatten drei Personen versucht, mich zu erreichen: Meine Exfrau, Gina Aliprandi sowie der Leiter der Genueser Mordkommission Salvatore Pertusiello. Zwei Menschen, die mich mochten, und eine, die mich wohl immer noch so sehr mochte, dass sie die Wunden nicht vergessen konnte, die ich ihr zugefügt hatte, als ich gegangen war. Und die ihren Hass wie einen Topflappen zu Hilfe nahm, um sich an mir nicht die Finger zu verbrennen.
Aglaja und Laura liefen auf dem Weg zurück zum Pick-up neben mir her. Da ich es nicht für angemessen hielt, in ihrem Beisein ein weiteres Streitgespräch mit Clara zu führen, beschloss ich, die Auseinandersetzung auf später zu verschieben, und wählte zunächst die Handynummer der Anwältin.
»Gina? Ich bin’s, Bacci. Gibt es was Neues?«
»Endlich meldest du dich mal«, antwortete sie mit der gewohnt kameradschaftlichen Stimme, rau von den vielen Zigaretten und den zahllosen Plädoyers vor Gericht, wenn sie Diebe, Mörder und Verbrecher aller Art verteidigte. Menschen wie Gabriele Sanna und Otello Ganci. »Ich wette, du lässt es dir ziemlich gut gehen. Hat das Meer immer noch die gleichen Farben?«
»Um diese Jahreszeit sind sie sogar noch leuchtender. Aber der Mistral lässt uns seit drei Tagen nicht an den Strand.«
»Lässt
uns
? Du hast doch nicht etwa eine von deinen Freundinnen mitgenommen?«
»Nein, aber meine Tochter ist hier.«
Totenstille am anderen Ende der Leitung. Das war genau der Effekt, den ich erreichen wollte.
»Aglaja? Sie ist bei dir?«, fragte sie, als sie sich von ihrer Überraschung etwas erholt hatte.
»Ja, sie ist von zu Hause abgehauen und hat die nächste Fähre nach Sardinien genommen.«
Durch den Hörer drang ein schriller Pfiff, der mir im Ohr schmerzte. Das war die einzige Bemerkung, mit der Gina Aliprandi, die mich seit fünfunddreißig Jahren kannte und liebte wie eine Schwester, diesen entscheidenden Wendepunkt in meinem Leben zukommentieren in der Lage war. Dann wechselte sie den Tonfall und gab sich ganz professionell.
»Hast du Valentino Sanna gefunden?«
»Nein, und ich bezweifle stark, dass ich ihn noch finden werde. Dafür habe ich das Gefühl, hier in ein Wespennest gestochen zu haben.«
Sie wirkte beunruhigt – wie es einem so geht, wenn ein Freund in Schwierigkeiten gerät, weil er jemanden schützen muss, der einem am Herzen liegt. Sie versuchte, sich von mir erklären zu lassen, was vor sich ging, erhielt aber nichts anderes als vages Gebrummel und ein paar dürftige Satzfetzen als Antwort.
»Jetzt, da Aglaja bei dir ist, ist sowieso alles anders«, erklärte sie schließlich mit demonstrativer Einsichtigkeit. »Du darfst sie auf keinen Fall in Gefahr bringen. Vergiss den Auftrag und genieß deinen Urlaub. Ich werde mit Gabriele Sanna sprechen.«
»Es gibt keinen Auftrag, den ich vergessen müsste. Ich bin mir ganz sicher, dass Valentino nicht hier ist.«
»Mein Mandant ist vom Gegenteil überzeugt.«
»Dann irrt er sich eben.«
»Es gibt Neuigkeiten, aber unter diesen Umständen …«
»Gina, spuck’s aus.«
»Sannas Frau hat ihn im Gefängnis besucht und ihm erzählt, dass einige Leute aus Tertenia bei ihr waren. Weder er noch seine Frau wollten Namen nennen, und sie schweigen sich auch über den Grund des Besuchs aus. Aber der Ausdruck von Befriedigung, der seither auf Sannas Gesicht liegt, beseitigt die letzten Zweifel.Irgendetwas ist da passiert. Irgendjemand muss ihm seinen Anteil an der Beute versprochen haben …«
»Und er glaubt, das sei das Verdienst seines Sohnes.«
»Da ist er sich absolut sicher. Du müsstest mal sehen, wie er strahlt.«
»Er irrt sich gewaltig.«
»Aber warum haben dann gerade jetzt …?«
»Es gibt hier jemanden, der noch seine offenen Rechnungen begleichen will, bevor er stirbt.«
»Einer seiner Komplizen?«
»Möglich. Vielleicht aber auch der Chef des Ganzen.«
Wieder ein überraschter Pfiff. Gina erinnerte mich manchmal an eine Filmdiva, die sprach wie ein in die Jahre gekommener Hafenarbeiter.
»Von wegen Urlaub, du alter Spürhund. Du
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