Der Tod Verhandelt Nicht
Virgilio trocken undmachte sich auf den Weg zum Pick-up. »Kommt, wir haben hier nichts mehr verloren. Wir haben genug gesehen. Steigt ein, ich will was überprüfen.«
Ohne noch etwas hinzuzufügen, ließ er den Motor an und fuhr, kaum dass wir im Wagen saßen, wild entschlossen los nach Villaputzu. Wir passierten das Ortseingangsschild, und Virgilio steuerte schnurstracks auf ein Ziel zu, das nur er kannte. Er bog in eine Seitenstraße ein und hielt vor einem neuen Wohnhaus mit Plastikfensterläden und Balkonen voller Geranien an.
»Wartet kurz hier. Das ist eine Sache von fünf Minuten«, raunte er, als er aus dem Wagen stieg.
Er ging zur Haustür, klingelte an der Sprechanlage und verschwand nach kurzer Wartezeit im Inneren des Hauses. Just in diesem Moment gab Lauras Telefon ein Signal ab. Meine Tochter musste ihr Handy eingeschaltet haben. Laura verlor keine Zeit und rief sie sofort an. Aglaja nahm das Gespräch entgegen. Sichtlich erregt berichtete Laura, was wir gerade erlebt hatten, ehe sie auf den Joint zu sprechen kamen. Meine Tochter schien ziemlich sauer auf ihre Freundin zu sein, die sich nach Kräften zu rechtfertigen versuchte.
»Du hast ja recht, entschuldige bitte«, sagte sie immer wieder, »aber ich konnte ihm wohl schlecht alles erzählen … Du hast recht. Es tut mir leid. Aber versetz dich bitte mal in meine Lage …«
Ganz Tochter ihrer Mutter, schaffte Aglaja es tatsächlich, der armen Laura die komplette Schuld in die Schuhe zu schieben. Ich ließ die beiden sich in Ruhe aussprechen, dann bat ich um das Telefon.
»Ihr seid doch wirklich das Letzte!«, bescheinigtemeine Tochter mir sofort. »Wenn schon einmal was los ist, dann lasst ihr mich hier alleine hocken!«
»Wenn wir auf dich gewartet hätten, wäre er weg gewesen. Ich komme aber bald nach Hause. Wartest du mit dem Essen auf mich?«
»Ich denke ja gar nicht daran«, antwortete sie. »Ich habe einen Riesenhunger und mache mir jetzt einen Teller Pasta.«
»Lass mir bitte was übrig.«
»Was willst du für eine Soße?«
»Im Kühlschrank findest du Eier und Speck. Kannst du eine Carbonara machen?«
»Hab ich noch nie probiert.«
»Du brätst in der Pfanne den Speck mit Öl, Knoblauch, Zwiebeln und Petersilie an. Wenn das Ganze schön kross ist, gibst du die gekochte Pasta dazu. Dann schlägst du zwei Eier darüber und mischst alles gut durch. Wenn du willst, kannst du zum Schluss noch ein bisschen Pfeffer drübermahlen.«
»Das klingt ganz schön kompliziert.«
»Dann machst du eben Pasta mit Butter und Salbei.« »Hm.«
Butter und Salbei schienen sie auch nicht zu überzeugen.
»Was hältst du von Olivenöl und Parmesan?«
»Okay«, sagte sie. »Ich versuche, eine Carbonara für zwei zu machen. Wenn ich Hilfe brauche, rufe ich dich noch mal an.«
Ich gab das Telefon sofort Laura zurück, die mich mit ihren kohlschwarzen Augen sichtlich geplagt von Gewissensbissen anschaute.
»Nur Mut, kleines Fräulein«, sagte ich zu ihr. »Das mit deinem Vater wird schon wieder, keine Sorge.«
»Es tut mir ja so leid«, sagte sie beschämt. »Ich hab doch nicht gewollt, dass das alles passiert.«
»Jetzt ist es aber nun mal geschehen. Eltern sein und Kind sein sind zwei sehr schwierige Jobs. Da macht man immer wieder mal etwas falsch.«
»Sie sind lange nicht so streng wie mein Vater. Aglaja hat wirklich Glück …«
»Du hast auch Glück gehabt. Und zwar das Glück, mit deinem Vater aufwachsen zu dürfen.«
»Aber mein Vater war viele Jahre nicht bei uns.«
»Das ist nicht das Gleiche. Seine Arbeit hat ihn dazu gezwungen, aber du wusstest, dass du ihn hast und auf ihn zählen kannst. Deshalb kann sich Virgilio auch leisten, dir gegenüber fordernd zu sein. Ich dagegen entdecke meine Tochter gerade erst und bin mir nicht so sicher, welche Ansprüche ich an sie stellen kann, ohne dass ich sie gleich wieder verliere.«
»Sie wieder verlieren? Aber Sie hatten sie nie verloren!«, erwiderte sie mit einem Lächeln in den Augen.
»Was meinst du damit?«
»Aglaja hat in all den Jahren nie aufgehört, an ihren Vater zu denken. Jeden Morgen beim Aufwachen und jeden Abend vor dem Einschlafen. Sie merkte ihrer Mutter an, dass sie sich große Sorgen um Sie machte, und wusste, dass Privatdetektiv ein gefährlicher Beruf ist. Sie hatte immer Angst, dass Ihnen etwas passieren könnte, und es gab Zeiten, da hat sie sogar für Sie gebetet. Als sie nicht mehr an Gott geglaubt hat, hat sie angefangen, Ihnen anstelle der Gebetelange
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