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Der Tod Verhandelt Nicht

Der Tod Verhandelt Nicht

Titel: Der Tod Verhandelt Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruno Morchio
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den Freunden, zu denen ich nach meiner Entlassung wieder Kontakt aufgenommen hatte, dort hingegangen, um mich zu betäuben und die ganze Wut zu ersticken, die ich in mir trug. Mit Martini. Negroni. White Lady. Tom Collins. Namen von Cocktails, die die Illusion von süßem Vergessen schufen, voll von dem Duft, der jetzt hier auf Sardinien durch die Luft schwirrte und mein Herz mit einem Glücksgefühl erfüllte, das der Trunkenheit der Nüchternen glich.
    Während ich auf dem Kiesstrand in den Armen der Frau lag, die mir bald eine Tochter gebären sollte, dachte ich mit bangem Gefühl an meine Vaterschaft, die mein Leben nachhaltig verändern würde. Claras lächelnder, auf den sich langsam verdunkelnden Himmel gerichteter Blick wiegte mich in der süßen Hoffnung auf eine Glückseligkeit, die noch immer in den verborgenen Winkeln meiner bittersüßen Erinnerungen schwang. Ich betrachtete sie und dachte an all das Gute, das diese Frau unserem kleinen Geschöpf mitgeben würde. Ihre Kraft, ihre Bestimmtheit, die Fähigkeit, sich um andere zu kümmern, all ihre Qualitäten, ohne die ich diesen Schritt wohl nie gewagt hätte. Dabei warmir auch die Frage durch den Kopf gegangen, wie der Mensch wohl das Wunder vollbracht hatte, die Natur nach seinen Bedürfnissen zu nutzen. Wie er zum Beispiel aus dem Aroma eines knorrigen, windgekrümmten Strauches eine raffinierte Mischung aus Geschmäckern herauszufiltern vermochte, die in der Lage war, unsere Wut und unseren Schmerz aufzulösen, ähnlich den vom Meer über den Strand von Quirra zerriebenen Muschelschalen.

Carbonara unter Tränen
    »Gratuliere, Aglaja. Die Carbonara war ausgezeichnet!«
    »Hat sie dir wirklich geschmeckt, Pa?«
    »Ja, sie war richtig gut. Warum fragst du?«
    »Nur so.«
    Nur so.
Immer ist es an den Eltern oder den Erwachsenen überhaupt, den Sinn aus dem, was Kinder sagen und tun, herauszufiltern – eine Aufgabe, die untrennbar mit dieser Rolle verbunden ist.
    »Glaubst du, dass ich nicht ehrlich zu dir bin?«
    »Was das betrifft – also ein paar Bären hast du mir schon aufgebunden. Aber darum geht es gar nicht …«
    Ihre Wangen waren leicht gerötet, ihr Blick irrte durch den Raum. Sie suchte etwas, worauf sie ihre Aufmerksamkeit richten konnte und das sie davon entband, meinem Blick standhalten zu müssen. Diese dreiste,kleine Haschischraucherin barg eine Schüchternheit in sich, die mir förmlich das Herz zerriss.
    »Worum geht es dann?«
    Jetzt fing sie an, mit der Papierserviette zu spielen, die sie erst einmal und dann noch einmal faltete. Wie es schien, hatte sie die Freuden des Origami für sich entdeckt.
    »Manchmal habe ich das Gefühl, dass du    … dich nicht traust, mir die Dinge so zu sagen, wie sie wirklich sind.«
    »Ja, weil ich dich noch nicht richtig kenne.«
    »Hast du Angst, mich zu verletzen?«
    »Ich will dich kein zweites Mal verlieren.«
    Aglaja sagte nichts dazu, sondern musterte mich nur mit prüfendem Blick.
    »Es ist nicht so leicht, plötzlich Vater einer Achtzehnjährigen zu sein. Ich weiß fast nichts von dir.«
    »Hat Mama dir denn in all den Jahren nichts über mich erzählt?«
    »Ein bisschen was hat sie mir schon gesagt. Ich weiß zum Beispiel, dass du aufs Gymnasium gehst und gut in der Schule bist. Dass du mit einem Jungen zusammen warst und viel Sport getrieben hast. Und dass dann irgendwann die Krise kam. Sie hat mir aber auch gesagt, dass du gern Mozart hörst.«
    »Wann hat sie dir das gesagt?«
    »Im April. Das war seit unserer Trennung das erste Mal, dass wir uns außerhalb eines Gerichtssaals gesehen haben.«
    »War das der Abend, an dem sie so viel getrunken hat?«
    »Genau.«
    »Das hätte ich mir denken können.«
    »Wieso?«
    »Weil du mir in den ganzen Jahren nicht ein einziges Mal zu Weihnachten oder zu meinem Geburtstag eine CD mit klassischer Musik geschenkt hast.«
    »Ich hätte eben nicht erwartet, dass einem Mädchen in deinem Alter klassische Musik gefallen könnte. Dafür habe ich dir viele Bücher geschenkt – und nie erfahren, ob du sie jemals gelesen hast.«
    »Ein paar davon habe ich gelesen … Was hat Mama dir sonst noch erzählt?«
    »Dass sie sehr stolz auf dich ist, genau wie Giovanni. Und dass du ihn genauso lieb hast wie einen Vater. Er hat ja die Vaterrolle für dich übernommen, und ich glaube, er mag dich sehr.«
    »Er war immer sehr geduldig mit mir. Am Anfang wollte ich nicht, dass er deinen Platz einnimmt, und habe ihm die Hölle heißgemacht. Aber hat sie dir sonst

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