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Der Tod Verhandelt Nicht

Der Tod Verhandelt Nicht

Titel: Der Tod Verhandelt Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruno Morchio
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war und dass das nicht wieder vorkommen wird. Stimmt doch, oder, Laura?«
    Das Mädchen nickte beflissen.
    Virgilio dagegen tat so, als würde er überhaupt nichts kapieren, und zuckte mit den Schultern.
    »In dem Alter«, brummte er, »ist man ganz schnell beim Heroin.«
    »Was redest du denn da für einen Unsinn, Papa!«, rief Laura aufgebracht.
    »Jetzt mal ehrlich, Virgilio, kannst du dir wirklich vorstellen, dass sich deine Tochter einen Schuss setzt?«
    Er kratzte sich nachdenklich am Kopf, wobei er wie gebannt auf die Straße starrte, doch dann gab er sich einen Ruck.
    »Ist gut, ich werde gleich mit Angelica sprechen, wenn ich zu Hause bin.«
    Der Mitsubishi rauschte zügig die Staatsstraße entlang. Wir waren inzwischen in Quirra angelangt und sahen die Ruinen des hoch oben im Gebirge gelegenen Schlosses und den Schilfstreifen, wo die Straße breiter wurde und zum Strand führte. Wie ein Messerstich traf mich da plötzlich die Erinnerung. Fast zwanzig Jahre waren vergangen. Clara und ich hatten hier mit Virgilio und Angelica unseren Urlaub verbracht. GinaAliprandi war mit einem ihrer zahlreichen Liebhaber auch mit von der Partie gewesen, irgendeinem dieser armen Kerle, die dazu verdammt waren, früher oder später und ohne das geringste Bedauern dem Vergessen anheimzufallen. So war Gina schon immer gewesen. Es hatte ihr noch nie behagt, ihr Leben mit den Überbleibseln alter Erinnerungen zu belasten. Und den Mann, den sie wirklich mochte, behielt sie lieber in sicherer Entfernung. Genau wie Stalin, ihren riesigen Mischlingshund. Oder die wenigen Freunde, die ihr im Laufe der Zeit treu geblieben waren, darunter dieser Volltrottel namens Bacci Pagano.
    Jenes Jahr war anders gewesen als alle anderen. Clara war damals schwanger, und ihr Bauch begann sich zu runden. Es war Juni, und sämtliche Düfte des sardischen Sommers versüßten die prickelnde Morgenluft. Der breite Strand von Quirra war leer und verlassen, und wir hatten unsere Autos im Schatten der Wacholdersträucher stehen lassen. Den Renault 4 von Virgilio, der einen Linksdrall hatte, und meine rote Ente, die nur noch darauf wartete, verschrottet zu werden. Wir waren über einen Kilometer barfuß über die Kiesel gelaufen, bis zur Militärbasis von San Lorenzo. Beladen wie die Maulesel, kamen wir nur langsam voran mit unserem Sonnenschirm, den Rucksäcken und Kühltaschen – aber ums Herz war uns leicht, und wir alberten herum wie Gymnasiasten beim Schulausflug.
    Virgilio und ich saugten den Duft der Freiheit begierig ein. Kaum hatten wir uns am Strand niedergelassen, forderte Gina Virgilio heraus, mit ihr bis zur Felsklippe von Quirra hinauszuschwimmen. Ein Unterfangen,das kräftige Lungen und Durchhaltevermögen erforderte. Bei seiner Ehre gepackt, ließ sich mein sardischer Freund nicht lumpen und nahm die Herausforderung an. Zusammen sprangen sie ins Meer. Angelica und Ginas Freund hatten sich in der Sonne ausgestreckt und waren eingeschlafen. Clara und ich saßen eng umschlungen beieinander und sprachen von Aglaja, als wäre sie schon geboren. Laut Ultraschall war es fast sicher, dass wir eine Tochter bekamen. In jener Zeit war Clara sehr glücklich, und die Schwangerschaft verlieh ihr Ruhe und Anmut. An jenem Tag sprachen wir zum ersten Mal über den Namen unserer Tochter.
    »Und wenn es nun ein Junge wird?«, fragte sie, als würde sie großes Unheil verkünden.
    »Dann nennen wir ihn Giovanni Battista, nach meinem Großvater.«
    »Nein, um Gottes willen. Ein Bacci in der Familie ist mehr als genug.«
    »Dann eben Guido, nach meinem Vater.«
    »Warum nicht Arturo, nach meinem Vater?«
    »Weil sich Arturo auf
duro
reimt und er dann von seinen Freunden bestimmt gehänselt wird.«
    »Gut, dann geben wir dem Kind einen literarischen Namen.«
    »Ja, wir nennen ihn Tadzio. Dann wird er früher oder später von irgendeinem alten Professor von hinten genommen.«
    Es war am Ende dieses langen Tages, als ich zum ersten Mal diesen Duft bemerkte. In der Dämmerung, als sich die Brise vom Erdboden löste, erhob sich ein intensives Aroma, das die Sinne förmlich berauschte,als befänden wir uns inmitten einer Wacholderhecke. Der Geruch erinnerte mich an bestimmte Cocktails aus Linos Bar auf der Piazza Alimonda. Der Barkeeper dort schaffte es, einen am Tisch regelrecht festzunageln, bis sich einem die Worte um die Zunge wickelten und man feststellen musste, dass man auf seinen wackligen Beinen nicht mehr heil nach Hause kommen würde.
    Ich war damals oft mit

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