Der Tod Verhandelt Nicht
Hardliner, der noch Ehre und Treue hochhielt – so sehr, dass er sogar seine eigene Frau mit dem Sohn seines besten Freundes ins Bett steigen ließ? Was, wenn das alles gar nichts mit dem Überfall auf die Banco di Sardegna zu tun hatte?
All diese Fragen waren im Grunde nur überflüssiger Ballast. Ich beschloss, nach Hause zu gehen und mich um das Mittagessen zu kümmern. Aglaja fragte mich,ob sie noch am Strand bleiben und das Konzert zu Ende hören könne. Aus den Kopfhörern schallte das Allegro aus dem Violinkonzert Nr. 3 von Mozart. Sie wollte in einer halben Stunde nachkommen, um dann mit mir zu essen.
Ich erklärte mich einverstanden und ging in Richtung der Düne. Als ich auf der Höhe der Lentisken war, vernahm ich einen Pfiff. Es war ein Ton, den ich schon einmal gehört hatte, und es fiel mir nicht schwer, ihn wiederzuerkennen. Ich duckte mich hinter eine der Zwergpalmen und versuchte herauszufinden, wo genau er hergekommen war. Aber ich sah niemanden.
Der Pfiff ertönte erneut, und kurz darauf sah ich den Hund über den Hof davonsausen. Ich bewegte mich ein paar Schritte vorwärts, duckte mich aber weiterhin. Der Hund lief jetzt an den Häusern auf der anderen Seite der Straße entlang. Obwohl ich nur Badeschuhe anhatte, überlegte ich nicht lange und rannte in Richtung des Parkplatzes, der sich im Juli und August mit den Autos der Badegäste füllte.
In seinem schwarzen Hemd und den kurzen Hosen lief der Hirtenjunge vom Strand, jenes Kind, das behauptet hatte, Pietrangelo zu heißen, Seite an Seite mit seinem Hund eilig auf einen blauen Geländewagen zu, dem einzigen Auto auf dem riesigen Parkplatz. Es war ein nagelneuer Cherokee. Der Motor lief schon, und der Fahrer wartete ganz eindeutig auf die beiden.
Zwanzig Meter weiter vorn stand am Straßenrand Virgilios weißer, schmutziger Mitsubishi. Wahrscheinlich saßen Virgilio und Laura im Wagen und diskutierten.
Pietrangelo sprang in den Geländewagen, während der Hund sich erst mal sträubte. Doch schließlich folgte er seinem Herrchen hinein, worauf der Cherokee einen Kavaliersstart hinlegte, der einer Rallye würdig gewesen wäre. Er wirbelte eine riesige Staubwolke auf, drehte sich einmal um die eigene Achse und stob davon. Ich war zu weit entfernt, um erkennen zu können, wer am Steuer saß, aber mich erstaunte, dass der Junge sich geduckt hatte, um nicht gesehen zu werden.
Ich rannte hinüber zu Virgilios Pick-up, in dem er und Laura noch immer stritten. Lauras Gesicht war zwar wieder trocken, aber sie wirkten beide angespannt. Als sie mich vor dem Autofenster auftauchen sahen, starrten sie mich an wie einen Marsmenschen.
»Los, Virgilio«, rief ich und riss die Beifahrertür auf. »Du musst den Geländewagen dort verfolgen.«
»Welchen Geländewagen? Und wieso?«
Ich saß schon auf der Sitzbank und hatte die Tür zugeschlagen. »Na der, der gerade hier losgebraust ist. Da sitzt Pietrangelo mit dem Hund drin!«
»Scheiße!«, meinte er nur, während sich ein Lächeln auf seinem eben noch wütenden Gesicht breitmachte, und startete.
»Warum hast du gerade Scheiße gesagt?«
»Weil das der Wagen von Vincenzo Puddu ist.«
Verfolgung
Wir hielten einen Sicherheitsabstand von ungefähr dreißig Metern, in der Hoffnung, nicht entdeckt zu werden. Zum Glück fuhr aus dem Parkplatz der Pizzeria »La Grotta« ein roter Fiat Uno heraus, der sich auf der Straße zwischen uns und den Cherokee schob und uns damit genügend Deckung verschaffte. Vincenzo Puddu war zügig unterwegs. An der Kreuzung nach Melisenda fuhr er geradeaus weiter nach Tertenia und bis zum Arco-di-Sarrala-Pass.
Laura war wahnsinnig aufgeregt. »Mensch, ist das spannend«, sagte sie immer wieder. »Schade, dass Aglaja nicht dabei ist.«
Ich schaute auf die Uhr. Seit ich meine Tochter am Strand zurückgelassen hatte, war fast eine halbe Stunde vergangen. Wahrscheinlich ging sie gerade nach Hause, doch würde sie dort niemanden antreffen. Ich musste ihr Bescheid sagen. Aber ich hatte mein Handy auf dem Nachttisch gelassen. Ausgeschaltet. Das sagte ich Laura, die sofort ihre Tasche hervorholte und nach ihrem Handy kramte, mit dem sie versuchte, eine Nachbarin in Sarrala anzurufen, doch vergeblich, die Frau war wohl ins Dorf gegangen, weshalb sie es bei einem Freund probierte, einem der jungen Kellner aus der Pizzeria, und dieses Mal hatte sie mehr Glück. Sie bat ihn, schnell zu Aglaja hinüberzulaufen und sie zu informieren, und er versprach, sich sofort darum zu
Weitere Kostenlose Bücher