Der Tod wartet im Netz (Die besten Einsendungen zum Agatha-Christie-Krimipreis 2011)
ausführlich, befragt er mich. Befragt mich nach all den Dingen, die er schon weiß oder wissen kann, doch vermutlich muss das so sein. Schreibt alles mit seinen kleinen, fast mädchenhaften Händen auf, in Schönschrift. Langsam.
Dann endlich scheint alles Unwichtige gefragt und notiert zu sein. Ich bin bereit für mein Geständnis, doch schon geht die Türe auf und die Schwester bittet ihn, uns alleine zu lassen. »Wir waren hier ohnehin fürs Erste fertig. Ich komme in ein paar Tagen wieder, wenn Sie sich noch etwas erholt haben.« Bevor ich etwas sagen kann, ist er gegangen.
Ich hoffe, dass der Kommissar bald wiederkommt, denn ich merke, wie mein Entschluss zu gestehen ins Wanken gerät. Zumindest will ich den Aufschub nutzen, um zum Grab meiner Oma zu gehen. »Das sah auch schon mal besser aus«, hatte er boshaft kommentiert, als wir beim letzten Mal dort waren. »Da kommt eine schwarze Platte drauf.« »Nein!«, unwillkürlich war ich laut geworden. »Oma hat Blumen doch so sehr geliebt. Bitte nicht!« »Sorry, Schatz«, hatte er gesagt und mir die Schulter getätschelt. Am nächsten Tag wurde die Platte bestellt.
Gerade, als ich mich auf den Weg zum Friedhof machen will, fährt ein Wagen vor und Kommissar Römer steigt aus. Er hat einen Kollegen mitgebracht. Ich seufze. Es soll nicht sein.
Kommissar Römer stellt mir den anderen Mann vor, der mich abschätzend anschaut. Offenbar hat er etwas anderes erwartet. Das kenne ich schon. Das mag ich nicht mehr. Ich kann ihn nicht leiden.
»Ich werde das Verhör führen, Sie können mitschreiben, Römer«, sagt er kurz angebunden und wichtigtuerisch. Ich erwarte Protest, aber Kommissar Römer zückt gehorsam sein Notizbuch und mir wird klar, wer hier der Chef ist.
»Ihr Mann wurde vergiftet«, verkündet der andere großspurig. Was Du nicht sagst, denke ich und schweige. »Das scheint Sie ja nicht besonders zu überraschen, da fragt man sich, woher das kommt.« »Das kommt daher, dass man Zeitung liest«, antworte ich patzig und habe plötzlich gar keine Lust mehr auf ein sofortiges Geständnis. Ich werde ihn ein wenig zappeln lassen.
»Zeugen haben gesehen, dass Sie Ihrem Mann den Teller gegeben haben«, sagt der Chef, dessen Namen ich vergessen habe und den ich auch nicht wissen will, doch bevor ich antworten kann, mischt sich Kommissar Römer ein. »Nicht ganz. Die Zeugen haben ausgesagt, dass Frau Berger den Teller für sich selbst geholt hat und dass ihr Mann ihr den Teller weggenommen hat. Sie hat auch selbst davon gegessen.« »Und warum sind Sie dann nicht tot?«, fragt der Chef und schaut mich vorwurfsvoll an. »Frau Berger hat sich sofort übergeben«, erklärt Römer und zeigt auf eine Stelle in den vor ihm liegenden Unterlagen. »Ach, und das kam Ihnen nicht verdächtig vor? Sie haben nicht daran gedacht, Ihren Mann zu warnen?«
Trotz kocht in mir hoch. Bei Dir gestehe ich nicht, denke ich mir. »Ich dachte, ich sei schwanger.« »Und – sind Sie's?« Sein Blick klebt an meinem Bauch, als wolle er so die Wahrheit ergründen. »Nein.« Ich verschränke die Hände vor dem Magen. »Tja, dann haben wir nur Ihr Wort, oder kann jemand bezeugen, dass Ihre Ehe so gut war, wie Sie behaupten?« »Ungefähr 40 Personen«. »Was?« Der Chef ohne Namen scheint aus dem Konzept gebracht. »Ja, das können ungefähr 40 Personen bezeugen, die mit unserer Familienplanung bestens vertraut sind. Mein Mann war geradezu versessen darauf, möglichst schnell Vater zu werden, und er hat kein Geheimnis daraus gemacht.« Er ist sichtlich enttäuscht, der Herr Kommissar. »Aber komisch ist es trotzdem«, murmelt er vor sich hin, während er seinen Mantel greift. »Wir werden das überprüfen.«
Er hat es überprüfen lassen und er hat nichts gefunden. Die Untersuchungen werden ergebnislos eingestellt. Zur Unterzeichnung des Protokolls kommt Kommissar Römer vorbei. Alleine. Ich bin erleichtert und will endlich mein Geständnis loswerden. Er aber legt seine Hand auf meine und schaut mich mit seinen traurigen Augen an. »Nicht«, sagt er, »bitte nicht.« Dann reicht er mir den Stift und deutet auf das Blatt Papier, das so verlockend vor mir liegt. Als ich ihn fragend ansehe, schaut er aus dem Fenster. »Meine Schwester, sie war auch mit einem Helden verheiratet. Bevor sie aus dem Fenster sprang.« Dann dreht er sich zu mir um. »Zeit, neu anzufangen«, sagt er und deutet noch einmal auf das Papier. Ich unterschreibe.
Es ist jetzt eine Weile her und es lebt sich erstaunlich
Weitere Kostenlose Bücher