Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tod wartet

Der Tod wartet

Titel: Der Tod wartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
«Sie sehen das aus einem zu persönlichen Blickwinkel. Betrachten Sie die Sache abstrakt, aus der Distanz. Dann ist die absolute Logik der Ereignisse faszinierend und methodisch.»
    «Ich werd mir Mühe geben», sagte der Colonel.
    Poirot warf einen Blick auf seine Taschenuhr, ein richtiges Monstrum von einer Uhr.
    «Die gehörte einmal meinem Großvater.»
    «Hab ich mir fast gedacht.»
    «Es ist Zeit, mit unserer kleinen Vorstellung zu beginnen», sagte Poirot. «Sie, mon Colonel, werden hier sitzen, hinter dem Tisch, in einer offiziellen Position.»
    «Na schön», brummte Carbury. «Soll ich womöglich auch meine Uniform anziehen?»
    «Nein, nicht nötig. Ich werde lediglich Ihre Krawatte zurechtrücken, wenn Sie gestatten.» Er setzte seine Worte in die Tat um. Colonel Carbury grinste, nahm auf dem ihm zugewiesenen Stuhl Platz und hatte schon im nächsten Moment den Krawattenknoten unbewusst wieder unter sein linkes Ohr geschoben.
    «Hier», sagte Poirot, während er die Anordnung der Stühle leicht veränderte, «platzieren wir la famille Boynton.»
    «Und hier», fuhr er fort, «werden wir die drei Außenstehenden platzieren, die so großen Anteil nehmen an diesem Fall. Dr. Gérard, von dessen Aussage die Anklage abhängt. Miss Sarah King, die zweierlei Interessen an dem Fall hat, ein persönliches und eines als Leichenbeschauer. Und Mr Jefferson Cope, der mit den Boyntons auf freundschaftlichem Fuße steht und daher zweifellos befangen zu nennen ist.»
    Er brach ab. «Aha! Sie kommen.»
    Er machte die Tür auf, um alle hereinzulassen.
    Lennox Boynton und seine Frau traten als Erste ein. Ihnen folgten Raymond und Carol. Dann kam Ginevra, allein, ein leises, versonnenes Lächeln auf den Lippen. Dr. Gérard und Sarah King bildeten die Nachhut. Mr Jefferson Cope traf mit einigen Minuten Verspätung ein, wofür er sich entschuldigte.
    Nachdem auch er Platz genommen hatte, trat Poirot vor.
    « Mesdames et Messieurs » , sagte er, «dies ist eine rein informelle Zusammenkunft. Sie ergibt sich aufgrund meiner zufälligen Anwesenheit in Amman. Colonel Carbury erwies mir die Ehre, mich zu konsultieren und – »
    Poirot wurde unterbrochen, und zwar von jemandem, von dem er das offenbar nicht erwartet hatte. Denn Lennox Boynton sagte unvermittelt und streitlustig:
    «Warum? Warum zum Teufel sollte er ausgerechnet Sie in dieser Sache einschalten?»
    Poirot machte eine anmutige Handbewegung.
    «Ich werde oft bei plötzlichen Todesfällen hinzugezogen.»
    «Die Ärzte schicken also jedes Mal nach Ihnen», sagte Lennox Boynton, «wenn jemand an Herzversagen stirbt?»
    Poirot erwiderte freundlich: «Herzversagen ist ein so vager und unwissenschaftlicher Begriff.»
    Colonel Carbury räusperte sich, was sehr amtlich klang, und sagte in amtlichem Ton:
    «Ich will mal was klarstellen. Da wird mir ein Todesfall gemeldet. Ganz normaler Vorfall. Außergewöhnlich heißes Wetter, strapaziöse Reise für eine ältere Dame in schlechter körperlicher Verfassung. So weit ist alles klar. Aber dann kommt Dr. Gérard zu mir und macht eine Aussage…»
    Er warf Poirot einen fragenden Blick zu. Poirot nickte.
    «Dr. Gérard ist ein hochangesehener Arzt von internationalem Ruf. Einer Aussage von ihm wird zwangsläufig Beachtung geschenkt. Und Dr. Gérard sagt Folgendes aus: Am Morgen nach Mrs Boyntons Tod bemerkte er, dass in seinem Arztkoffer eine bestimmte Menge eines hochwirksamen Herzmittels fehlte. Am Nachmittag davor hatte er festgestellt, dass eine Spritze verschwunden war. Welche während der Nacht zurückgebracht wurde. Letzter Punkt: Am Handgelenk der Toten befand sich ein Einstich, wie ihn eine Spritze hinterlässt.»
    Colonel Carbury machte eine Pause.
    «Unter diesen Umständen hielt ich es für die Pflicht der zuständigen Behörden, den Fall zu untersuchen. Monsieur Hercule Poirot war mein Gast und bot mir anerkennenswerterweise seine speziellen Dienste an. Ich gab ihm freie Hand, alle Ermittlungen anzustellen, die er für richtig hielt. Und jetzt sind wir hier, um uns seinen Bericht anzuhören.»
    Es herrschte Stille. Man hätte, wie es so schön heißt, eine Stecknadel zu Boden fallen hören können, so still war es. Im Zimmer nebenan fiel tatsächlich etwas zu Boden, vermutlich ein Schuh. Es klang, als hätte eine Bombe eingeschlagen.
    Poirot warf einen schnellen Blick auf die dreiköpfige Gruppe zu seiner Rechten und wandte seine Aufmerksamkeit dann den fünf Personen zu, die dicht beisammen zu seiner Linken saßen –

Weitere Kostenlose Bücher