Der Tod wartet
müde, dass sie ständig mit dem Fuß umknickte.»
«Vielen Dank, Mr Cope. Darf ich so indiskret sein und fragen, ob Mrs Boynton möglicherweise ein großes Vermögen hinterlassen hat?»
«Ein ganz beträchtliches sogar. Das heißt, genau genommen ist es gar nicht ihres. Sie hatte nur das Nutzungsrecht auf Lebenszeit, und nach ihrem Tod wird es unter den Kindern des verstorbenen Eimer Boynton aufgeteilt. Ja, sie werden jetzt alle ziemlich wohlhabend sein.»
«Geld», murmelte Poirot, «spielt immer eine große Rolle. Wie viele Verbrechen wurden schon wegen Geld begangen.»
Mr Cope sah ihn leicht bestürzt an.
«Da mögen Sie wohl Recht haben», gab er zu.
Poirot lächelte liebenswürdig und sagte: «Aber es gibt so viele Motive für einen Mord, nicht wahr? Ich danke Ihnen, Mr Cope, für Ihre freundliche Kooperation.»
«Gern geschehen, keine Frage», sagte Mr Cope. «Ist das Miss King, die dort oben sitzt? Ich glaube, ich werde mal zu ihr gehen und mich ein bisschen mit ihr unterhalten.»
Poirot setzte seinen Weg den Hügel hinunter fort.
Nach einer Weile begegnete er Miss Pierce, die ihm entgegengeflattert kam und ihn atemlos begrüßte:
«Oh, Monsieur Poirot, ich bin ja so froh, Sie zu treffen. Ich habe mich mit diesem höchst sonderbaren jungen Mädchen unterhalten – der jüngsten Tochter, wissen Sie. Sie hat ja so merkwürdige Sachen gesagt – von Feinden und von einem Scheich, der sie entführen will, und dass sie überall von Spionen umgeben ist. Wirklich, es klang höchst romantisch! Lady Westholme sagt, dass das alles Unsinn ist und dass sie einmal ein rothaariges Küchenmädchen hatte, das auch solche Lügen erzählte, aber manchmal denke ich, dass Lady Westholme doch ein wenig zu streng ist. Und es könnte doch ohne weiteres wahr sein, nicht wahr, Monsieur Poirot? Vor Jahren las ich, dass eine der Zarentöchter gar nicht in der Revolution in Russland umkam, sondern heimlich nach Amerika flüchten konnte. Die Großfürstin Tatjana, wenn ich mich nicht irre. Wenn das stimmt, dann könnte das junge Mädchen doch ihre Tochter sein, nicht wahr? Sie hat in der Tat etwas von königlichem Blut angedeutet – und sie hat ja auch etwas Slawisches, finden Sie nicht? Besonders die Wangenknochen. Wäre das nicht furchtbar aufregend?»
Poirot sagte leicht salbungsvoll: «Es gibt wahrlich viele seltsame Dinge im Leben.»
«Ich habe heute Vormittag gar nicht richtig mitbekommen, wer Sie sind», sagte Miss Pierce und presste die Hände zusammen. «Dabei sind Sie doch dieser ungemein berühmte Privatdetektiv! Ich habe alles über den ABC-Fall gelesen. War das aufregend! Ich hatte damals nämlich eine Stelle als Gouvernante in der Nähe von Doncaster.»
Poirot murmelte etwas. Miss Pierce fuhr mit wachsender Erregung fort:
«Und darum hatte ich das Gefühl – dass ich mich geirrt hatte – heute Vormittag. Man muss doch immer alles sagen, nicht wahr? Selbst die kleinste Kleinigkeit, und mag sie einem auch noch so unwichtig erscheinen. Denn wenn Sie sich mit dieser Sache befassen, dann muss die arme Mrs Boynton ermordet worden sein! Das ist mir jetzt klar! Es wäre doch möglich, dass Mr Mah Mut – ich kann mir seinen Namen einfach nicht merken –, also der Dragoman –, ich meine, er könnte doch ein bolschewistischer Agent sein? Oder Miss King vielleicht? Ich glaube, dass heutzutage viele wohlerzogene junge Mädchen aus gutem Hause zu diesen schrecklichen Kommunisten gehören! Und darum habe ich mich gefragt, ob ich es Ihnen nicht vielleicht doch sagen sollte – denn, wissen Sie, es war schon ziemlich merkwürdig, wenn man es richtig bedenkt.»
«Ganz recht», sagte Poirot. «Und darum werden Sie mir jetzt alles erzählen.»
«Nun, eigentlich ist es ja nichts weiter. Nur dass ich am Morgen nach der Entdeckung des tragischen Ereignisses ziemlich früh auf den Beinen war und aus meinem Zelt schaute, um den Sonnenaufgang zu sehen – nur dass es natürlich gar nicht Sonnenaufgang war, weil die Sonne bestimmt schon eine Stunde früher aufgegangen war. Jedenfalls war es noch sehr früh und – »
«Ja, ja. Und was sahen Sie da?»
«Das ist ja das Komische – obwohl es mir damals nichts Besonderes zu sein schien. Es war nur so, dass ich sah, wie die Boynton-Tochter aus ihrem Zelt kam und etwas in das Wadi warf – da ist zwar weiter nichts dabei, aber es glitzerte in der Sonne! Als es durch die Luft flog. Es glitze r te, wissen Sie?»
«Welche Boynton-Tochter war das?»
«Ich glaube, es war die, die
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