Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman
wird dir den Hals umdrehen, sobald sie kann. Los, langsam die Treppe hinunter, mit erhobenen Händen. Schön vorsichtig mit den Stufen. Wenn du fällst, bringe ich dich um.«
Die Treppe war eng, und man sah fast nichts. Kein Nachbar war herausgekommen, bis jetzt war ja auch noch nichts zu hören gewesen. Der Verhaftete überlegte. In zwei Sätzen wäre er auf der Straße, er könnte über das Geländer springen. Mehrere seiner Kumpels hatten sich auf diese Weise schon gerettet, während die Bewacher dumm aus der Wäsche schauten. Méndez konnte nicht springen. Dafür war er zu alt. Und der Streifenwagen war noch nicht da.
»Runter!«
Der Krieg im ehemaligen Jugoslawien hatte ihn geschult, der Kosovare machte einen Satz, bei dem jeder Ausbilder vor Neid erblasst wäre, und landete direkt auf dem unteren Teil der Treppe. Er wusste, dass Méndez ihm nicht folgen konnte. Er wusste, dass Méndez ihn nicht sehen würde.
Aber er wusste nicht, dass Méndez schon in Abwasserkanälen Verbrecher gejagt hatte.
Die Detonation des Colt Python ließ das ganze Haus erzittern. Méndez hatte nie vorschriftsmäßige Dienstwaffen benutzt, vielleicht weil ihm die Dienstvorschriften schon immer herzlich egal gewesen waren. Am linken Bein getroffen, mit einem zerfetzten Oberschenkel, machte der Flüchtige einen weiteren Satz, diesmal im freien Fall, und prallte gegen die Wand. Er stieß einen Fluch in einer Sprache aus, die Méndez nicht verstand (zum Glück), und blieb zusammengekrümmt am Boden liegen.
Méndez hätte ihn töten können, er hatte immer schon gut geschossen, und jetzt bereute er fast, es nicht getan zu haben. Der Kerl würde die Sozialversicherung mehr kosten, als es seine Mutter gekostet hatte, ihn auf die Welt zu bringen, und am Ende würde er noch eine Rente kassieren.
Das Mädchen von oben konnte sich glücklich schätzen, wenn ihr nicht von einer Polizistin, die eine schlechte Nacht gehabt hatte, Fragen gestellt würden, die unter die Gürtellinie gingen.
»Los, unterschreib die Anzeige, und wir sagen dir, wie es weitergeht«, würde die kurze Anweisung lauten.
Natürlich würde niemand ihr je etwas sagen.
Doch anstatt zu töten, zog Méndez es vor, den anderen zum Stehenbleiben zu zwingen. Nur um nicht ein weiteres Mal schießen zu müssen. Er richtete seine Waffe auf den am Boden Liegenden, ging auf ihn zu und deutete auf die Treppe.
Er sagte zu ihm:
»Da ist schon der Streifenwagen. Sie werden dich ins Krankenhaus bringen, und bestimmt wirst du versuchen zu türmen, aber weil ich nichts zu tun habe, werde ich dich bewachen, als Krankenschwester verkleidet. Vielleicht findest du ja sogar Gefallen an mir und so. Komm, schlepp dich ein Stück weiter, die Hände auf dem Rücken. Binnen zehn Minuten wirst du mir sagen, wer dich für den Auftrag bezahlt hat.«
Die ganze Treppe bebte unter den Schritten der eingetroffenen Verstärkung. Méndez sah zwei Handschellen, eine Pistole, eine knallenge Hose und den Hintern von Loles – würde sie denn nie befördert werden, hielt man sie, um den Tourismus anzukurbeln? Méndez deutete auf Loles und sagte zu dem Kosovaren:
»Eine kleine Aufmerksamkeit des Hauses.«
Loles, die wohl eine miese Nacht gehabt hatte, ließ die Handschellen wie Scheren zuschnappen und brummte:
»Kleine Aufmerksamkeit, so weit kommt es noch. Ich habe das Gefühl, Sie gehören auch eingeliefert, Méndez.«
19
»Mein Name ist Eva Expósito, ich bin achtzehn Jahre alt, Personenschützerin, besser gesagt noch in der Ausbildung. Meine Geschichte ist so traurig, dass Sie eine Seifenoper daraus machen können, ein richtiges Scheißleben.«
Der Hauptkommissar lehnte sich im Sessel zurück und ließ ungewollt den Blick über die Kurven des Mädchens wandern. »Von dir würde ich mich gerne beschützen lassen.« Er schämte sich wegen dieses Gedankens, zündete sich eine Zigarre an und schämte sich schon wieder, weil es keine Havanna war, denn letzten Monat war zweimal der Preis erhöht worden. Dann grummelte er:
»Welch schlechter Stil, ein Mädchen wie Sie auszusetzen, Señorita Expósito.«
»Von mir aus nennen Sie es schlechten Stil, Herr Hauptkommissar. Es stimmt, ich habe keine Eltern. In den einzigen Papieren, die ich je zu Gesicht bekommen habe, steht, ich sei vor einem Hauseingang in der Travessera de Gràcia ausgesetzt worden, im feinen Teil, in der Nähe des Zentrums. Verdammte Scheiße. Ein Polizist hat mich gefunden, und die aus dem Corps wollten mich sofort adoptieren, doch ein
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