Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman
Schaumwein, die auf einer Hochzeit oder Taufe geöffnet wird. Paff!, und das war’s. Der Mann mit der Pistole wunderte sich wieder einmal über die Wunder der Technik, die es heutzutage ermöglichten, geräuschlos zu töten, und morgen – da war er sich sicher – über das Handy zu kopulieren. Er lächelte, als er sah, dass die schöne Frau reglos dalag.
Es machte nichts. Sie würde sich schon rühren. Sie würde sich schon rühren.
Als ihm klar geworden war, dass nicht Miralles in dem Bett lag, hatte der Mann nicht geschossen, um zu töten. Er war ein erfahrener Profi, verdammt, kein Idiot, der auf die erstbeste Gestalt zielte. Das Mädchen war ein Problem, mit dem er nicht gerechnet hatte, aber deshalb würde er nicht gleich ein Blutbad anrichten.
»Triffst du deinen Feind nicht im Bett an, dann warte dort auf ihn«, das hatte er schon in jungen Jahren gelernt.
Die Kugel steckte im Kopfkissen neben dem unbekannten Mädchen, das reglos dalag wie eine Sphinx, aber mit weit aufgerissenen Augen. Tja, die Mädchen von heute waren so cool, dass sie nicht einmal schrien. Diese Flittchen, dachte der Kerl, zuckten nicht mal mit der Wimper, auch wenn sie völlig nackt waren. Klar, man musste sich an ihre Stelle versetzen, vielleicht war die Kleine keine Hure, vielleicht war es einfach so heiß, dass man sonst in dieser schlecht belüfteten Wohnung eingehen würde. Hier schrie selbst der Kanarienvogel nach kühlem Nass. Vielleicht war es sogar ein gutes Mädchen.
Der Mann zischelte: »Eine Bewegung, und die nächste landet in deinem Kopf, du Flittchen.«
Sie rührte sich nicht. Und ihr Gesicht wirkte, als hätte sie die Drohung völlig unbeeindruckt gelassen. Vielleicht war sie wirklich so kaltblütig. Selbst einem Eisbären wäre das Blut in den Adern gefroren. Sein erfahrener Blick sagte ihm sofort, dass sie nicht älter als achtzehn war, Er ließ diesen Blick über ihre weiße, glatte Haut, die langen Beine, ihre Rundungen, die prallen Lippen, die noch unberührte Scham wandern. Kaum zu glauben, dass es noch so perfekte Mädchen in den einfachen Vierteln gibt, wo bekanntlich keiner Geld für Schönheitsoperationen oder Massagen mit irgendwelchem Schmetterlingssabber übrig hat.
Der Kerl war beeindruckt.
Technisch gesehen hatte er Pech gehabt, aber vielleicht nicht nur. »Triffst du deinen Feind nicht im Bett an, dann warte …« Dieser Scheiß-Miralles würde schon noch kommen, und mit dem Mädchen in seiner Gewalt würde alles noch leichter sein.
Klar, am Ende müsste sie natürlich auch dran glauben, damit es keine Zeugen geben würde. Schade.
Aber noch nicht direkt.
»Wie heißt du?«
»Eva.«
»Und was machst du hier?«
»Ich wohne hier.«
»Mit diesem Scheißkerl von Miralles?«
»Ich bin seine Assistentin.«
»Assistentin bei was?«
»Ich arbeite als Bodyguard.«
Der Kerl stieß einen Pfiff aus. Donnerwetter, sieh einer an. Plötzlich wurde ihm alles klar. Das Mädchen ist für Gefahrensituationen ausgebildet, deshalb zuckt sie nicht mit der Wimper. Verdammt, die Zeiten haben sich geändert. Es soll ja sogar Mädchen bei den Fallschirmspringern geben, die sich im freien Fall selbst befriedigen.
Eva – sofern das ihr richtiger Name war –, versuchte sich mit dem Laken zuzudecken, aber er wusste das zu verhindern:
»Schön ruhig. Ich will wissen, ob du mit Miralles verwandt bist. Oder seine Teilhaberin. Oder seine Geliebte.«
»Ich bin … seine Angestellte. Nichts mit Geliebte oder Verwandte … Er hat mich aufgenommen, als ich noch ein kleines Mädchen war.«
»Und er versucht, dir Arbeit zu geben.«
»Ja.«
»Du wirst verhungern, Mädchen. In einer so friedfertigen Welt braucht man Leute wie dich nicht. Und jetzt sag mir, wo er ist. Um diese Uhrzeit sollte er hier sein.«
»Du weißt also Bescheid …«
»Halt den Mund und antworte einfach auf meine Frage, du Miststück. Sag mir, wo Miralles ist.«
»Er hat unerwartet einen Auftrag bekommen. Er muss die Freundin eines Ministers schützen.«
»Ich dachte immer, diese Leute stünden unter öffentlichem Schutz …«
»Die Freundinnen nicht.«
»Weißt du, wann er zurückkommt?«
»Nein, in diesem Job gibt es keine Stechuhr.«
Klar, dachte der Kerl, du wirst mir keine Hinweise geben. Aber wenn du glaubst, dass ich jetzt verschwinde, hast du dich geschnitten. Jetzt, wo du mich gesehen hast, bist du dran. Du könntest Miralles warnen, also bist du dran. Du könntest eine Waffe finden, also bist du dran.
Oder vielleicht auch
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