Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman
alle anderen auch. Die Leute gehorchen immer, gib ihnen nur einen Funken Hoffnung. Los, komm her.
Auf die Knie.
»Genau so«, murmelte der Mann mit verdrehten Augen. »So, ja …«
»Soso«, sagte da eine Stimme an der Tür.
Es war die Stimme von Méndez.
18
Tausende von Verbrechern, die im unpassendsten Moment geschnappt wurden, hatten in all den Jahren – die unwiederbringlich vorbei sind und in Straßen, die es zu allem Unglück auch nicht mehr gibt – immer dasselbe geschrien:
»Verdammt, Méndez!«
Aber der nicht. Der aus dem Kosovo, bei dem die Zunge des Mädchens fast fertig war, hielt die Pistole hinter der Rückenlehne (so kommst du näher ran, Mädchen) und merkte, dass Méndez auf seinen Kopf zielte.
Er hatte nicht seinen berühmten Colt Baujahr 1912 in der Hand, mit dem vielleicht im selben Jahr Ministerpräsident José Canalejas ermordet worden war. Er war inzwischen modern unterwegs. Er trug einen riesigen Colt Phyton. Mit einer Kugel aus dem Ding tötest du nicht nur einen Menschen, du kannst damit ein ganzes Haus versetzen.
Méndez sagte zuckersüß:
»Du sagst mir, welches Auge ich dir wegpusten soll.«
Das Mädchen drehte sich um. Wie ein seelenloser Roboter. So voller Panik, dass der Körper ihr nicht mehr gehorchte. Sie drehte sich auf ihren Gutmädchenknien um, sah das schwarze Loch von Méndez’ Revolver und dessen versteinertes Gesicht, das erstaunte Gesicht des Mannes, der sie überfallen hatte, sein Glied (das jetzt deutlich zusammengeschrumpft vor ihr baumelte) und die Tapete, die sich seit ihren Kindertagen nicht verändert hatte.
Méndez befahl:
»Die Knarre auf den Boden.«
»Pling!«
Erledigt. Die Knarre auf dem Boden. Méndez könnte den Mann töten.
Wenn er es täte, wäre das für seine Verdauung förderlich.
Mit dunkler Stimme sagte er:
»Steh auf.«
Erledigt. Er steht. Méndez versuchte, sich an eine Dienstanweisung zu erinnern, aber es fiel ihm keine einzige ein. Er schwang die Rechte so kraftvoll wie in früheren Zeiten und rammte den Schuh in das Gemächt des Kerls, oder in das, was davon noch übrig war. Es waren Schuhe mit einer dicken Sohle, die ein Leben lang halten. Der andere hatte nicht einmal mehr die Energie zu schreien. Er krümmte sich und schnappte begierig nach Luft, als ihn ein weiterer Tritt am Kinn trifft.
Er fiel auf den Sessel. Er konnte nicht mehr atmen. Während Méndez laut vortrug, was er in den Bericht schreiben wird: »… da der Verhaftete sein Glied entblößt hatte, versuchte der Polizeibeamte, es unter Anwendung regulärer Gewalt wieder zu bedecken, was durch den Widerstand des Betroffenen zu verschiedenen Abschürfungen und Rissen der Blutgefäße führte …« Dann befahl er ihm:
»Los, aufgestanden.«
Der andere gehorchte, die Hände über die Hoden gelegt. Méndez war beinahe gerührt, denn der Kerl wirkte wie ein Verteidigungsspieler, der jeden Moment den Freistoß erwartet. Langsam beruhigte sich der Atem des anderen. Zwei Blutfäden rannen aus seinem Mund.
»Du hättest merken müssen, dass ich das Haus überwache«, murmelte er. »Da hätte man leicht darauf kommen können.«
»Ich habe Sie nicht gesehen. Als was waren Sie verkleidet?«
Méndez spuckte ihm die Worte förmlich entgegen:
»Ich war als Hurensohn verkleidet. Deshalb bin ich nicht weiter aufgefallen.«
Er trat ein wenig zurück, um den Kerl vorbeizulassen, wobei er mit dem Lauf Richtung Tür deutete.
Zu dem Mädchen, das sich – immer noch völlig verängstigt – auf dem Bett eingerollt hatte:
»Rufen Sie die Polizei. Sie sollen sofort einen Streifenwagen mit schlecht gelaunten Typen schicken.«
Er folgte dem Kerl aus dem Kosovo. Der Lauf war auf dessen Rücken gerichtet, auf Herzhöhe, und schlug den Takt seiner Schritte. »Wenn du auch nur zuckst, werde ich dir eine verpassen und dabei die Wand niederreißen.« Noch zwei Schritte durch das winzig kleine Esszimmer, das für die Speisung von Kanarienvögeln gemacht zu sein schien. »Du wirst mir sagen, wer dich hierfür bezahlt, Junge, du wirst alles ausspucken, sogar den Namen der Hure, die dich geboren hat.« Die Wohnungstür hatte Méndez aufgelassen. »Und ich schwöre dir, du wirst singen, bevor ein Anwalt kommt und dir sagt, du hast das Recht zu schweigen …«
Der Verhaftete baute sich mit erhobenen Händen trotzig auf.
»Wenn Sie so weitermachen, werden Sie Probleme bekommen. Das Mädchen da drin wird aussagen, dass Sie mir meine Rechte nicht vorgelesen haben.«
»Das Mädchen da drin
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