Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman
auf.«
»Welches Hotel?«
»Es ist kein Hotel, es ist ein Privathaus, aber mit einem erstklassigen Service. Ich werde es Ihnen genau beschreiben, auch die Tür. Sie dürfen sich auf keinen Fall in der Tür irren.«
»Liegt etwas Besonderes an?«
»Ich sage es noch einmal, Sie dürfen sich auf keine Fall in der Tür irren.«
Und Escolano, der Anwalt ohne Mandanten, der Sohn des Anwalts, dem alle Mandanten abhandengekommen waren, tat, wie ihm geheißen. Er irrte sich nicht in der Tür. Das Haus befand sich in der Zona Alta, in der Calle Valencia, wo die Motoren der Autos aufheulen, die der Stadt entfliehen. Die Wohnung war mit modernen Möbeln, Blumen, einem Sonnenstrahl, einem Sofa und einem Bild zweier sich küssender Mädchen ausgestattet, beide mit Perücke und als Marquise verkleidet. Man sieht, dachte Escolano, es ist zu allen Zeiten für die sexuelle Befreiung gekämpft worden. Und Erasmus. Erasmus war gut gekleidet, mit einem tadellos sitzenden englischen Anzug, dazu die passenden Klunker, eine Cartier-Uhr, er war aufgekratzt und gut gekämmt, eben wie ein Mann, der – zumindest in der letzten halben Stunde – keine Frau angefasst hat.
Und das Mädchen. Das Mädchen, nicht einmal zwanzig, dem man ansah, dass Erasmus auch sie sexuell befreit hatte, in einem Rokoko-Morgenrock, das Haar leicht zerzaust, und, das darf natürlich nicht fehlen, Stilettos, mit denen man nicht mal bis zur Tür laufen kann.
»Das Mädchen war unvorsichtig«, sagte Erasmus, als sie schließlich alleine im Salon saßen, »dabei habe ich sie gewarnt.«
»Inwiefern?«
»Es ist nicht gut für mich, wenn man mich sieht, also gehe ich nicht an die Tür, aber sie muss aufmachen wie eine anständige Hausfrau, falls jemand unerwartet kommt. Und jetzt stellen Sie sich vor, da steht ausgerechnet einer Ihrer alten Mandanten. Nun, mit alt meine ich einen, mit dem Sie letzte Woche zu tun hatten.«
»Ich habe den Eindruck, Sie sagen das voller Verachtung, Erasmus. Aber ich verstehe nicht ganz.«
»Es ist ganz einfach. Wie ich sehe, haben Sie nicht mal die Hälfte der Fantasie Ihres Vaters. Sie ist ein Callgirl und trifft ein paar Freier in dieser Wohnung. Wenige, nicht, dass Sie glauben … Ganz wenige, denn Professionelle wie sie geben sich nicht mit Hinz und Kunz ab. Wir haben einen Vertrag geschlossen. Ich bezahle sie gut, ich wohne hier und niemand weiß, wo ich bin, sie geht nicht ans Telefon, sie hat auf den Anrufbeantworter gesprochen, dass sie eine Kreuzfahrt macht. So stört uns niemand, ein perfekter Deal. Sie kassiert (vielleicht macht sie die Kreuzfahrt dann später), ich verstecke mich und habe eine Frau, die mir im Bett ihr Leben erzählt. Sie können sich gar nicht vorstellen, Escolano, was die Frauen heutzutage schon alles erlebt haben. Ich vermute, Sie sind mit mir einer Meinung, dass das eine geniale Idee ist. Ich hatte sie vor Jahren bei einem Freigang in Valencia.«
»Valencia?«
»Ja, verdammt, die Fallas, die Stierkämpfe, und die Leute, die auf den Straßen Feuerwerkskörper verspeisen, und in hundert Kilometer Umkreis kein freies Zimmer. ›Was für eine Idee, hier den Freigang verbringen zu wollen‹, sagte ich zu mir. Und genau in dem Moment kommt eine Hure auf mich zu. Ich sage zu ihr: ›Das wird ein Komplettarrangement. Zwei Tage und zwei Nächte.‹ Und sie willigte ein, denn so musste sie nicht mehr weitersuchen. Und ich hatte ein Zimmer und eine Frau. Sagen sie mir, ob es irgendein verfluchtes Gesetz gibt, das das verbietet.«
»Ich schätze, dass Sie in keinem Hotel mehr unterkommen«, murmelte Escolano mit verächtlichem Gesichtsausdruck.
»Nein, aber es ist nicht schlecht, wenn mein Anwalt meinen Aufenthaltsort kennt.«
»Ich bin nicht Ihr Anwalt, Erasmus.«
»Ich fürchte doch. Erstens haben Sie es nötig, und zweitens ist es gut für Sie. An mir werden Sie Geld verdienen und das ist selbst so reichen Anwälten, wie Sie es sind, nicht egal. Also, Sie haben es nötig. Und jetzt kommen wir zum zweiten Punkt: Wenn Sie das Mandat niederlegen, werde ich Sie für alles verantwortlich machen, was geschieht. Ich würde sagen, dass Sie geplaudert haben.«
Escolano biss sich wütend auf die Unterlippe. Aber er erwiderte nichts.
Sein Vater hatte es ihm gesagt, dass es die Mandanten sind, die die Anwälte in den Schmutz ziehen, nicht umgekehrt. »Nimm dich in Acht. Fünf Minuten auf ihrer Seite, und ihr unterscheidet euch in nichts mehr.«
Escolano wäre am liebsten gegangen.
Aber vielleicht war es schon
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