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Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman

Titel: Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francisco Gonz lez Ledesma
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über deinen Sohn zu sprechen, du verbietest mir, mich auf seinen Stuhl zu setzen. Nie durfte ich das Bett in seinem ehemaligen Zimmer benutzen … Du verbietest mir, ihn mir in meinem Alter vorzustellen, wie er den ruhmreichen Beruf seines Vaters übernimmt. Du verbietest mir, über meinen Tod nachzudenken, meinen eigenen Tod, denn es ist mir nicht erlaubt, an seinen zu denken.«
    David Miralles reißt die Hand hoch und seine Augen schließen sich, als habe er gerade einen Peitschenhieb ins Gesicht bekommen. Evas Gesicht bleibt reglos. Wenn sie den schrecklichen Schlag eines trainierten Mannes, eines Profis, abbekommt, kostet sie das vielleicht das Nasenbein, vielleicht einen ihrer schönen Zähne, vielleicht sogar eines ihrer beiden Augen, denen es verboten ist, die verborgenen Winkel in der Wohnung zu erforschen.
    Aber nichts.
    Miralles nahm langsam die Hand herunter, während er sie sagen hörte:
    »Das ist ein widerwärtiger Job.«
    »Warum?»
    »Du gibst dein Leben für jemanden, der es vielleicht nicht wert ist zu leben. Wer ist dieser Loscertales? Ein mächtiger Kapitalist, schön. Einer der mächtigsten der Welt. Und viele Firmen dieses schönen Landes warten auf sein Geld, um weitermachen zu können. Was tut man? Señor Loscertales darf nicht sterben, jeder andere darf das, aber nicht er. Ich investiere kein Geld in irgendeine Industrie, du auch nicht. Wir sind nichts wert. Wenn wir die Kugel abkriegen, die für diesen Scheißjuden bestimmt war, wird uns niemand eine Träne nachweinen. Und wenn du den Scheißaraber, der geschossen hat, zuerst siehst und ihn tötest, wird ihm auch keiner eine Träne nachweinen. Und er weiß nicht einmal, warum er stirbt. Ihm hat man mit dem Versprechen eines Paradieses, das es nicht gibt, das Hirn vernebelt. Und dir hat man es mit dem Versprechen auf ein Stück Brot vernebelt.«
    Miralles sagte mit brüchiger Stimme:
    »Zumindest gibt es dieses Stück Brot.«
    »Ja …« – Sie starrte einen Moment ins Leere. »Zumindest gibt es dieses Stück Brot.«
    »Ich wüsste nicht, auf welche Weise ich es sonst verdienen sollte, Eva … Loscertales mit Sicherheit, aber ich nicht. Da ich nichts anderes sein kann, bin ich ein Instrument. Fast alle Männer und Frauen um uns herum sind Instrumente, und jeden Morgen, wenn sie aufstehen, danken sie Gott dafür. Vielleicht sollte ich das auch tun, denn ich bin dazu ausgebildet, dass zumindest vor meinen Augen niemand mehr tötet.«
    »Ich denke, das war genau das, was du wolltest. In gewisser Weise rächst du deinen Sohn.«
    »Besser, du sprichst nicht von ihm.«
    »Beleidige ich ihn vielleicht, nur weil ich ihn erwähne? Was soll das? Ein Toter soll über allen Lebenden stehen? Habe ich vielleicht irgendetwas gesagt, das nicht der Wahrheit entspricht? Verteidigen wir beide nicht eine immer ungerechter werdende Welt? Du und ich, wir gehören einer Welt an, in der wir nur zwei Dinge sind: Konsumenten und Instrumente. Wir sind nicht als Mensch nützlich, und manchmal denke ich, wir sind gar keine Menschen, wir konsumieren nur, was andere herstellen, und stellen her, was andere konsumieren. Aber für beides braucht man Kapital, und die, die Kapital hin- und herschieben, müssen verteidigt werden. Wir sind schlechter als die anderen. Wir sind Instrumente der Instrumente.«
    »Man sieht, du hast viel gelesen, während man versucht hat, dich zu vergewaltigen«, sagte er verächtlich. »Wahrscheinlich hast du sie gebeten, vorher noch das Kapitel zu Ende lesen zu dürfen.«
    Eva ballte die Faust. Ihre Zähne knirschten. Das kleine Zimmer schien sich einmal um sich selbst zu drehen: das graue Fenster, die Küchentür, die alte Lampe, die vielleicht einst die inzwischen Toten erleuchtet hatte. Eines von Evas Augen, nur eines, drehte sich in der Augenhöhle, es sah aus, als ob es jeden Moment herausspringen würde.
    Eva war rasend jung. Sie konnte hart zuschlagen. Ihre Faust konnte dieses steinerne Gesicht durchschlagen.
    Aber auch sie schlug nicht zu.
    Eva ließ den Kopf sinken.
    »Schon gut«, sagte sie. »Schließlich hast du mich gerettet. Ein einfacher Leser hätte das nicht getan.«
    Sie drehte sich um, sie wollte ihn nicht ansehen. Ihre Schultern, die Schultern einer gesunden Frau, die sich immer verteidigen musste. Ihr kräftiges Gesäß. Ihr Nacken, der auf einmal so schlank und zerbrechlich wirkte.
    »Eva …«
    »Sag nichts. Ich habe die Lektion gelernt.«
    »Eva … Ich wollte doch nur sagen, dass viele Menschen in diesem Viertel gestorben

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