Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman
Finanztransaktion, den er schützen musste, würde an diesem Morgen pünktlich zu einer genau vereinbarten Uhrzeit das Gebäude verlassen. Die Uhrzeit variierte natürlich von Tag zu Tag, aber heute würde es um neun Uhr zehn sein. Loscertales logierte nicht in einem Hotel – zum Beispiel in dem unweit gelegenen Hotel Presidente –, denn ein Gebäude dieser Art ist unmöglich zu kontrollieren. Ein einzelnes Appartement auf der rechten Seite der Diagonal konnte viel besser geschützt werden.
Miralles dachte nicht an das Risiko und auch nicht an das Geld. Es war sein Job. Er dachte auch nur flüchtig an Loscertales, den Mann, den zu schützen man ihm befohlen hatte. »Unter Einsatz deines Lebens«, hatte man zu ihm gesagt. »Unter Einsatz deines Lebens.«
Loscertales vertrat die Interessen einer äußerst mächtigen israelischen Finanzierungsgesellschaft. Von seiner Kooperation – und folglich von seinem Leben – hingen katalanische Unternehmen ab, die ohne ihn vielleicht schon im kommenden Jahr ihre Gehälter nicht mehr zahlen konnten. Ein toter Bodyguard war nichts im Vergleich zu einem lebenden Kapitalisten.
Loscertales wurde von arabischen Terroristen bedroht.
Die arabischen Terroristen konnten ihn an jedem Ort töten.
Neun Uhr elf.
Um diese Zeit war der zweite Bodyguard, der den Aufzug bewachte, bereits in das Dachgeschoss gegangen und hatte Loscertales die Tür geöffnet. Er würde mit ihm und der Kollegin, die die Nacht über in der Wohnung gewacht hatte, nach unten fahren. Diese Kollegin, die nicht von der Gesellschaft, sondern von Miralles selbst bezahlt wurde, war Eva Expósito.
Die beiden verließen das Gebäude vor Loscertales und gaben ihm Deckung. Alles wie geplant. Auch der gepanzerte Mercedes 500, der um die Ecke fuhr und vor der Tür hielt, war exakt pünktlich. In Barcelona war es fast unmöglich, mit einem Auto pünktlich zu sein, aber dem Fahrer war es gelungen. Er zwinkerte Miralles zu.
Der hob die Hand.
Alles bereit.
Loscertales trat geschützt auf die Straße, indem Miralles die Tür öffnete und sich so jeder Kugel in den Weg stellte, die von der anderen Straßenseite kommen konnte. Aber er konnte ihn nicht gegen eine Kugel schützen, die von derselben Straßenecke oder von oben abgefeuert wurde. Der leise Knall des Gewehres mit Schalldämpfer war kaum zu hören, er wurde von den Tausenden von Straßengeräuschen erstickt. Auf der Straße staute sich der Verkehr, aber der Tod raste in Millionenbruchteilen von Sekunden.
PLACK !
Es war ein rein tierischer Instinkt, der Miralles vor der Gefahr warnte. Der Instinkt eines Tigers oder besser gesagt einer bedrohten Schlange. Der Schlag, den er Loscertales versetzte, war leicht, doch die Berührung reichte aus, damit er das Gesicht wegdrehte.
Das Projektil streifte ihn und auch Miralles’ linke Hand. Diese verkrampfte sich sekundenlang zu einer Klaue.
Stille. Plötzlich hört man nicht einmal mehr das Brummen der an der Ampel anfahrenden Autos. Die Leute bleiben stehen, die Motorräder halten an, als würden sie in der Luft hängen. Die ganze Welt steckt auf einmal in einer Blase, in der nur mehr Stille herrscht.
Eine Sekunde. Zwei. Die Blase platzt.
Es ist nichts passiert. Niemand hat etwas bemerkt. Die Welt dreht sich weiter und mir ihr beginnen auch die Gedanken in Miralles’ Kopf wieder zu kreisen. Miralles denkt an drei Möglichkeiten zugleich. Erstens, der Schütze war wohl nicht allzu gut, ansonsten hätte er ihn nicht um ein Tausendstel verfehlt. Zweitens, es war zwecklos ihn zu verfolgen und außerdem nicht seine Aufgabe. Drittens, der Schutz hatte versagt.
Die Aufstellung stimmte nicht, die Richtung, aus der die Kugel gekommen war, hätte Eva Expósito decken müssen. Eva stand einen halben Schritt hinter der Position, die sie einnehmen sollte, und ließ den Kopf des Schützlings ungedeckt.
Diesen Kopf schob Miralles jetzt in das Innere des Fahrzeugs.
»Alles in Ordnung?«
Loscertales gab ihm nicht einmal eine Antwort. Miralles sprang an seine Seite und der gepanzerte Wagen gab Gas. Dabei hätte er beinahe einen Motorradfahrer auf die Haube genommen, der auf den Bürgersteig ausweichen musste, während Miralles die Mütter des Fahrers, des Bürgermeisters und die der gesamten Benz-Dynastie verfluchte. An der Ecke wartete mit eingeschaltetem Warnlicht ein weiteres Auto, das sie eskortieren würde. Alles war in Ordnung, bis auf die Flüche des Motorradfahrers. Okay. Die Straße folgte weiterhin dem gleichgültigen
Weitere Kostenlose Bücher