Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman
Verhaftung nannte ich mich Wolf, um mich wichtig zu machen, aber am Ende nannten mich alle Pajitas, Wichser. Manche kommen eben gebrandmarkt auf die Welt, unser Schicksal steht auf unseren Reißverschluss geschrieben.«
»Gehst du zu einer Totenwache?«
»Ja, es ist meine Schwester.«
»Mein Beileid.«
»Ich will sie noch mal sehen, denn als sie im Sterben lag, wollte sie mich nicht empfangen.«
»Dann nimm ihr wenigstens ein paar Rosen mit. Hier, nimm.«
»Das kann ich nicht annehmen, Señor Méndez.«
»Ich will, dass du mir alles erzählst, was du über diesen verdammten Leónidas weißt. Selbst wenn du nichts weißt.«
»Ich bin kein Spitzel, Señor Méndez.«
»Was zeigt, dass du sehr wohl etwas weißt und es nicht ausplaudern willst. Sehr löblich, aber dieser verdammte Leónidas ist ein anderes Kaliber, Pajitas. Hab kein Mitleid mit einem Mörder, der zudem noch geil ist. Und außerdem: Wann haben du und ich uns gesehen? Wie sollte er davon erfahren?«
Pajitas war unschlüssig. Es war offensichtlich, dass Leónidas ihn anekelte, aber noch offensichtlicher hatte er Angst vor ihm. Und noch etwas anderes war offenkundig, Pajitas wusste etwas Heikles, etwas, das brandheiß war. Mit einem Prankenhieb hielt Méndez ihn zurück.
»Du weißt, dass ich meinen Informanten nie in den Rücken gefallen bin«, sagte er. »Ich habe nie über sie gesprochen oder sie bloßgestellt. Außerdem schwöre ich dir, dass wir uns nicht wiedersehen. Ich werde dich nie mehr behelligen, Pajitas. Das Wort von Méndez.«
»Ich hatte nicht erwartet, darüber reden zu müssen, ich hatte nicht erwartet, Sie zu treffen.«
»Sag mir nur, wann du Leónidas zum letzten Mal gesehen hast. Nur das.«
»Vor zwei Tagen. Sie werden vielleicht denken, ich hätte ihn aufgesucht, um ihm etwas aus dem Kreuz zu leiern, doch so war es nicht. Er hat mich aufgesucht, stellen Sie sich vor. Er, inzwischen ein König und ich ein Stück Scheiße im hinterletzten Scheißwinkel der Stadt. Tja, zwei Welten, die nichts miteinander zu tun haben. Aber wenn er jemanden finden will, dann findet er ihn.«
»Gut, Pajitas. Aber jetzt sag mir, warum zum Teufel er dich gesucht hat. Nur das.«
»Ich sollte nur eine Frage beantworten, Señor Méndez.«
»Es ist eine, die aus zwei Teilen besteht. Schau, Pajitas, wir stehen in einer Straße, wo niemand uns sieht. Beantworte mir den zweiten Teil, den letzten.«
»Leónidas hat Angst.«
»Das ist komisch bei einem Kerl wie ihm.«
»Von wegen Kerl, Señor Méndez. Leónidas ist ein Feigling, und deshalb hat er im Gefängnis alle Ärsche geleckt, die man lecken musste. Gute Führung garantiert, ein Gefangener, dem man vertrauen kann. Wie Sie wünschen, wie Sie befehlen, die sind doch alle gleich. Dem Richter vom Strafvollzugsgericht ging einer ab, wenn er ihn sah. Das Arschlecken wird nicht an der Uni gelehrt, sollte es, denn es ist überall ungeheuer erfolgreich. Und außerdem ist es einfach. Man muss dir nur zeigen, wie man die Zunge spitzt, damit sie sich gut hineinschieben lässt.«
Méndez zappelte ungeduldig mit dem Fuß.
»Ich weiß, warum er Angst hat«, brummte er. »David Miralles, der Vater des ermordeten Kindes, hat Omedes jahrelang gesucht, und dann hat er ihn aufgespürt und erledigt. Jetzt weiß er, dass Leónidas hier ist, also wird er auch ihn aufspüren und erledigen. Und Miralles ist eine Eieraufschlagmaschine, denn er schießt wie ein Gott. Also weiß Leónidas, entweder Miralles oder er selbst. Einer von beiden wird auf dem Friedhof landen. «
»Ich verurteile Miralles nicht, Señor Méndez.«
»Ich eigentlich auch nicht. Bei der gegenwärtigen Gesetzeslage bleibt dem Opfer keine andere Möglichkeit als selber Rache zu üben. Hast du schon das Neueste gehört? Ein Kerl hat seinen Vater umgelegt, weil er eine Waffe ausprobieren wollte. Der Vater krepiert, wie es sich gehört, aber dem Sohn hat die Generalitat ein Stipendium bezahlt, damit er einen Roman schreiben kann. Ich gehe mal davon aus, dass er wenigstens so höflich sein wird, ihn seinem Vater zu widmen. Also, selber Rache nehmen und Schluss. Aber als Polizist darf ich das nicht offen sagen.«
»Nun, davor hat Leónidas Angst, vor der Lynchjustiz. Jedes Mal, wenn er an Miralles denkt, geht ihm der Arsch auf Grundeis. Und weil all seine Versuche, ihn zu töten, bis jetzt fehlgeschlagen sind, hat er an jemanden gedacht, bei dem nichts schiefgeht. Er hat den brutalsten Killer angeheuert, den das Land in der letzten Zeit gesehen hat,
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