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Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman

Titel: Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francisco Gonz lez Ledesma
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ergattern. Dann war Encarna zu den Cafés in der Calle San Pablo in der Nähe von Robadors abgestiegen, wo sie für ein Abendessen arbeitete, und Méndez hatte fern davon eine kostenlose Unterkunft für den Sohn gefunden. Am Ende ihrer Tage war Encarna in der Calle San Olegario gelandet, der letzten Ecke der Stadt, wo sie schließlich für ein Sandwich arbeitete, und Méndez nicht verhindern konnte, dass ihr Sohn am Ende in einer kostenlosen Zelle übernachtete.
    Während er die Marina-Brücke entlangging, gebeutelt vom Meereswind, bedauerte Méndez es trotzdem, kein Kind zu haben. Er hatte nur Straßen, Fenster, wo er ein Mädchen kennengelernt hatte (das er nicht wiedersehen würde), Ecken, von denen aus er überwachte (und Hunde, die ihn überwachten) und Hauseingänge, in denen die Bewohner eine Hoffnung gebaren. Er dachte, dass er etwas mit David Miralles gemein hatte. Auch er hatte nur fremde Kinder. Er dachte auch flüchtig, wenn von ihm bald nur noch Asche übrig wäre, würde niemand diese Asche begleiten, höchstens ein Hauptkommissar. Oder nicht einmal das, vielleicht ein Abgesandter des Hauptkommissars. Oder vielleicht Loles, aber Méndez wollte nicht, dass Loles bei ihm Totenwache hielt.
    Die arme Encarna, die nur an ihren Sohn gedacht hatte, hatte nichts davon gehabt. Als er am Ende der Brücke ankam, wo der Wind stärker wurde, hörte Méndez auf zu denken. Etwas weiter war der Bestatter. Und noch ein wenig weiter eine Kneipe mit Namen Andalucía, die Leute spießten Anschovis auf und tranken Longdrinks auf das Wohl der Toten.
    Eine der alten Sexarbeiterinnen flüsterte ihm zu:
    »Danke, dass Sie gekommen sind, Señor Méndez.«
    »Ich bin froh, dass ich es getan habe. Encarna sieht wunderbar aus.«
    »Ja, Señor Méndez. Als ob sie wieder jung wäre.«
    »Hat sie leiden müssen?«
    »Nein, Señor Méndez, aber sie ist mit dem Blick zur Tür gestorben.«
    Es gibt Türen, durch die der Mensch, auf den du wartest, nie kommen wird.
    Méndez ging langsam hinaus. Auf der Straße blies immer noch der Meereswind, der weiter oben bestimmt das Gebäude des Wasserversorgers wie eine Frauenzunge leckte – den Agbar-Turm, den man barmherzig das Kondom oder noch barmherziger das Zäpfchen nannte. Der Bürgermeister von Barcelona beteuerte, dass der Turm über großartige Lichtspiele verfüge, alles steuerfrei.
    Und auf der Straße traf er ihn. Den Pajitas. Das war im Grunde nicht ungewöhnlich, denn bestimmt wollte der Pajitas zu einer Totenwache.
    »Sie habe ich ja schon Jahre nicht mehr gesehen, Señor Méndez.«
    »Bist du schon aus dem Gefängnis raus, Pajitas? Es tat mir sehr leid, dass ausgerechnet ich dich verhaften musste. Ich hoffe, du hast im Gefängnis etwas gelernt oder eine neue Chance bekommen.«
    »Im Gefängnis gibt es keine Chance für Pechvögel, Señor Méndez. Sie glauben doch nicht, dass wir dort alle gleich sind und es so etwas wie soziale Gerechtigkeit gibt.«
    »Ich weiß nur zu gut, was in den Gefängnissen los ist.«
    »Dort gibt es Gefangene mit Geld, das sind die Herren, und die ohne Geld, das sind die Lakaien und manchmal auch die Sexsklaven. Es gibt mehr Ungleichheit zwischen zwei Gefängniszellen als zwischen einem Gebäude am Paseo de Gracia und einem in La Mina.«
    »Wie ich sehe, ist es dir schlecht ergangen.«
    »Na ja, ich habe mich damit abgefunden. Wenn du die Dinge in aller Ruhe angehst, gibt es immer Auswege, und seien sie auch noch so schlecht. Weil ich einen Beamten beleidigt habe, haben sie mich isoliert, zusammen mit einem Bankräuber, der ein Kind getötet hatte. Der Kerl gab mir Geld dafür, dass ich ihn schützte, und so konnte ich von dem Pöstchen ganz gut leben. Und wenn die Zeit zu lang wurde und er geil war, gab er mir was extra.«
    Méndez schloss einen Moment lang die Augen.
    Elend.
    Im Gefängnis bekommen nie diejenigen eine Chance, die sie verdient hätten.
    »Pajitas, sag mir den Namen von diesem Kerl, sag mir den Namen des Seelengefährten.«
    »Leónidas Pérez.«
    »Verdammt.«
    »Was ist?«
    »Er ist wohl vor dir rausgekommen.«
    »Wir sind fast gleichzeitig rausgekommen, Señor Méndez, aber ich wurde rückfällig und bin wieder im Bau gelandet. Leónidas ist mit Sicherheit auch wieder rückfällig geworden, aber das ist eine andere Welt. Er war einer der Bosse im Gefängnis, er hatte Geld, gute Rechtsanwälte, er beherrschte die Welt der Drogen an einem Ort, an den nicht mal ein Joint kommen sollte. Ich war immer ein Pechvogel. Bei meiner ersten

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