Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman
betonen, dass ich ein Freund von Señora Ruth war, als sie noch ihr Etablissement in Francia Chica hatte. Warum ich ihr Freund war, bitte ich außer Acht zu lassen.«
»Das geht mich nichts an. Die Freundschaften der Señora sind ihre Sache.«
»Nun, umso besser. Jeder hat sein Leben und seine Geschichte. Aber ich habe lange Zeit im Ausland gelebt, das kann ich beweisen, und bei meiner Rückkehr habe ich erfahren, dass Señora Ruth sehr krank ist.«
Und schon bist du ins Fettnäpfchen getreten, Leónidas, du Schlaumeier, du Wunder des 21. Jahrhunderts. Kontrolleure der Krankenkasse pflegen nicht im Ausland zu leben. Und du legst dir schon eine Erklärung zurecht, aber der Arzt hat es gar nicht gemerkt und wird es auch nicht merken, wenn du schnell weitersprichst und ihm keine Zeit zum Nachdenken gibst.
»Und in Erinnerung an unsere frühere Freundschaft wollte ich sie besuchen, bevor es zu spät ist.«
»Dann besuchen Sie sie doch. Es spricht nichts dagegen.«
»Deshalb bin ich ja hier, Doktor, deshalb bin ich ja hier … Verzeihen Sie, wenn ich Ihnen Umstände mache, aber ich würde es mir nie verzeihen, eine Unbedachtheit zu begehen. Sie beruhigen mich, denn manchmal raten Ärzte von einem Besuch ab. Ich würde auch gerne wissen, ob sie über ihren Zustand im Bilde ist. Manchmal kann eine unbedachte Bemerkung einen Menschen in den Abgrund stürzen. Weiß sie, wie es um sie steht?«
»Natürlich. Ich lüge meine Patienten nicht an, und außerdem ist sie nicht dumm.«
»Also ein Grund mehr, sie möglichst bald zu besuchen. Danke, Doktor, dass Sie mir weitergeholfen haben. Doch es liegt mir noch etwas am Herzen.«
»Wenn ich kann, werde ich Ihnen helfen.«
»Benötigt Madame Ruth Geld? Ich meine, dann könnte ich ihr vorsichtig etwas anbieten.«
»Ich glaube nicht, dass sie Geld braucht. Aber selbst wenn ich das wüsste, würde ich es Ihnen nicht sagen.«
»Umso besser. Ist sie gut versorgt?«
»Natürlich ist sie gut versorgt, im Rahmen des Möglichen, in einer Klinik wäre sie natürlich besser aufgehoben. Tagsüber hat sie eine feste Pflegekraft und nachts kommt eine Schwester, aber ich glaube, nicht immer dieselbe.«
»Braucht sie sonst niemanden? Ist da sonst wirklich niemand? Ich frage nur, weil ich wissen will, welches die beste Zeit für einen Besuch ist.«
»Gehen Sie morgens zu ihr, aber am besten rufen Sie vorher an. An manchen Tagen geht es ihr ziemlich schlecht.«
»Danke, Doktor, ich werde mich danach richten. Sie haben mir sehr geholfen. Jetzt weiß ich, wie ich mich ihr gegenüber verhalten muss. Diese Dinge sind immer sehr delikat.«
»Guten Tag. Die Schwester wird dann mit Ihnen abrechnen.«
»Abrechnen?«
»Den Besuch. Sie saßen mit den anderen Patienten im Wartezimmer.«
»Natürlich … Ihre Zeit ist Geld wert. Das ist angemessen.«
Kein Zweifel, werter Herr, der du so vorsichtig sein möchtest. Es gibt Ärzte, die haben Geld gemacht, ich nicht, und außerdem lebe ich jetzt nur noch von den Privatpatienten, weil ich zu alt für die staatlichen Kassen bin. Also muss ich mir den Besuch bezahlen lassen, Herr Krankentröster. Welch rosige Zeiten.
»Tja, so ist das nun einmal«, sagte Leónidas zu der Krankenschwester, während er gewissenhaft bezahlte.
Und er dachte, verdammt, da verdient ein alter Arzt ein Viertel von dem, was eine junge Begleiterin bekommt. Also, das treibt uns nicht in den Ruin. Erasmus, du bist ein Wissender und erweiterst dein Wissen ständig, du machst deinem Namen alle Ehre, und außerdem bist du in Form. Jetzt weißt du, dass du gefahrlos im Haus herumschnüffeln kannst, falls dieser Miralles vorhat, dort unterzukommen. Und das wird er, sicher. Er kann ja sonst nirgendwohin.
Miralles dachte derweil, dass er sich besser nie in dieses Haus der beiden Frauen geflüchtet hätte. Eine will, dass er sie liebt, die andere, dass er sie tötet. Es ist fast unmöglich Madame Ruth für nur achtundvierzig Stunden hinzuhalten – die Zeit, die er braucht, um Erasmus abzulenken. Und mit Eva ein Zimmer zu teilen, ohne dass ihn Mabels vorwurfsvoller Blick über die Flure verfolgt, ist auch nicht einfach.
Miralles verlässt das Zimmer, während Eva sich auszieht, und bleibt eingehüllt von der Dunkelheit des Flures im hinteren Teil des Hauses stehen. Neben der Tür am Ende des Ganges sieht er ein Fenster und dahinter einen ungepflegten Garten, wo drei kleine Statuen aufeinanderliegen, die niemand mehr aufgestellt hat, ein Turm wie aus dem Schachspiel, eine Tänzerin,
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