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Der Todesengel von Florenz

Der Todesengel von Florenz

Titel: Der Todesengel von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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durch, und Pater Angelico und der Novize hörten mit an, was dieser dem ranghöchsten der Büttel berichtete. Danach dauerte es nicht mehr lange, bis Tiberio Scalvetti zu ihnen stieß.
    »Was steht ihr hier untätig herum?«, fuhr er die Stadtbüttel an, zornig und so laut, dass man ihn über den ganzen Domplatz hörte. »Sorgt dafür, dass die Leute von hier verschwinden! Die Messe fängt gleich an. Sollen sie vor unserem Herrn knien und sich besser ihre eigenen Sünden vor Augen halten, als hier zu gaffen und sich über den angeblichen Todesengel auszulassen! Hier hat kein strafender Erzengel zugeschlagen, verdammt noch mal! Das da ist das Opfer eines abscheulichen Mordes, der von Menschenhand begangen worden ist! Jeder, der etwas anderes erzählt, ist ein ausgemachter Schwachkopf!«
    Die Leute zogen die Köpfe ein und stoben wie von Peitschenhieben getrieben auseinander, wobei die meisten sich zum Dom wandten. Es sah aus, als flüchteten sie sich in den Schutz des majestätischen Gotteshauses.
    »Geh du besser auch, Bruder Bartolo«, sagte Pater Angelico, während Scalvetti sich anhörte, was der Amtsdiener gesehen hatte. »Für dich gibt es hier nichts zu tun, und es kann auch dir nicht schaden, dir anzuhören, was der angesehene Prediger aus Ravenna zu sagen hat. Davon wirst du mehr haben, als hier im Kalten herumzustehen und zu rätseln, welche Nachricht der Mörder diesmal hinterlassen hat.«
    Bruder Bartolo hatte sich darauf gefreut, diesen gelehrten Mann im Dom predigen zu hören. Doch nun schien ihm das gar nicht mehr so wichtig. Nur zu gern wäre er jetzt an der Seite seines Meisters geblieben, trotz der grässlichen Umstände.
    Pater Angelico sah es ihm an. »Keine Sorge, du wirst schon erfahren, was wir hier herausfinden. Und nun geh.«
    Der Novize seufzte. »Wie Ihr meint, Meister«, sagte er und zog gehorsam, aber mit bekümmerter Miene ab.
    Indessen hatte sich Tiberio Scalvetti den Glöckner kommen lassen, einen sehnigen, vertrauenerweckenden Mann mittleren Alters. Er beteuerte, bei seinem Eintreffen im Turm nichts Verdächtiges bemerkt zu haben; er habe niemanden kommen oder gehen sehen. Und die Tür habe er fest verriegelt, sowie das Geschrei draußen auf dem Platz losgegangen sei. Aber dann fiel ihm doch noch etwas ein, das an diesem Morgen anders gewesen war als sonst.
    »Was? Sprich, Glöckner!«, drängte Scalvetti.
    »Nun, als ich zum ersten Mal am Seil zog, da habe ich einen starken Widerstand gespürt, Herr! Ich verrichte meine Arbeit nun schon elf Jahre im Campanile, und da hat man ein Gespür dafür, wie das Seil und der Hebelarm normalerweise unter Zug ansprechen. Heute Morgen aber wollten sie meinem Zug nicht folgen. Und dabei ziehe ich mit ordentlicher Kraft am Strang, wenn Ihr mir diese Bemerkung erlaubt. Es hat sich einfach nichts bewegt«, sagte der Glöckner. »Erst als ich richtig hart am Seil geruckt habe, konnte ich den Widerstand überwinden. Und danach war es wie immer … jedenfalls bis ein Büttel zu mir hochrief, ich solle sofort das Läuten einstellen. Ich bin noch nicht hochgestiegen, um nachzusehen, was der Grund für diesen Widerstand war. Aber das werde ich gleich tun, Herr!«
    »Das wirst du schön bleibenlassen, das übernehme ich selbst«, beschied ihn der Commissario, nahm den Schlüssel an sich und entließ den Glöckner mit der Versicherung, dass ihn keine Schuld treffe an dem, was da in seinem Turm passiert sei.
    Erleichtert ging der Mann davon.
    Als er hörte, was der Commissario vorhatte und was damit auch ihm bevorstand, warf Pater Angelico einen nicht eben begeisterten Blick zur Turmspitze hinauf. Aber wenn es der guten Sache diente, wollte er nicht kneifen.
    »Was für ein gewissenloser Dreckskerl«, sagte Tiberio Scalvetti, nachdem er den Glöckner und den Amtsdiener weggeschickt, die Leiche des Sensale eingehend betrachtet, den Strick um den Hals angehoben und mit Kennerblick erkannt hatte, auf welche Weise der Mann gestorben war. »Der Strick war es nicht, was ihm den Tod gebracht hat. Der Mörder hat ihm eine Garrotte um den Hals gelegt. Seht Ihr die Druckspuren, da? Eindeutig Garrotte.«
    »Wenn Ihr es sagt, wird es gewiss so sein.«
    »Ich nehme an, Ihr habt Euch die Tarotkarte schon genauer angeschaut.«
    Der Mönch nickte. Die Zeichnung auf der Karte war eindeutig, das sah gewiss auch Scalvetti: ein Mann, der auf einer Kröte ritt und einen Geldsack um den Hals hängen hatte. Dazu oben wieder der Erzengel mit dem Schwert und unten der Dämon Mammon.

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