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Der Todesengel von Florenz

Der Todesengel von Florenz

Titel: Der Todesengel von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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stopfen? Das hat nicht nur Zeit gekostet, in der er hätte entdeckt werden können, sondern war auch ein blutiges Stück Arbeit!«
    »Eine bestialische Freude am Töten und Verstümmeln kann ihn dazu bewogen haben. Und diese perverse Lust treibt nicht nur Geistesgestörte und gottlose Verbrecher um. Es gibt Menschen, die machen daraus sogar einen Beruf und lassen sich für ihr blutiges Geschäft von der Kommune bezahlen«, erwiderte Pater Angelico bissig. »Aber wem erzähle ich das!«
    Tiberio Scalvetti verzog keine Miene. »In der Tat, wem erzählt Ihr das! Die Freiheit wird immer mit Blut bezahlt«, sagte er nur. »Aber lasst uns zu den Tatsachen zurückkommen. Die helfen nämlich eher, das Rätsel um diesen Mordfall zu lösen, als wohlfeile Betrachtungen über die menschliche Natur und ihre Widersprüche im gesellschaftlichen Zusammenleben.«
    »Nur zu, Commissario«, erwiderte Pater Angelico schmallippig. »Übrigens will ich gar nicht ausschließen, dass ein sexuelles Motiv vorliegt. Nur …«
    »Teufel auch, jetzt sprechen wir endlich wieder eine Sprache und sehen ein und denselben Toten vor uns!«
    »Aber das muss dann ein einseitiges sexuelles Motiv sein, etwas, das allein beim Mörder liegt!«, stellte Pater Angelico sofort klar.
    Skeptisch wiegte Tiberio Scalvetti den Kopf, doch dann sagte er: »Also gut, nehmen wir einmal an, es verhält sich so, wie Ihr sagt. Was hat es dann mit dieser Karte hier auf sich? Kommt, seht sie Euch näher an!« Er beugte sich zu dem Toten hinunter, riss die Karte von dem Nagel und reichte sie ihm. »Ich denke, Ihr werdet die Zeichnung richtig zu deuten wissen.«
    Mit spitzen Fingern nahm Pater Angelico das Stück Karton entgegen und stellte fest, dass es etwas größer war als gewöhnliche Spielkarten. Maße und Festigkeit entsprachen mehr den größeren Tarotkarten, wie sie von den Wahrsagerinnen der Fahrensleute benutzt wurden. Aber eine richtige Tarotkarte war es wiederum auch nicht, auch wenn es auf den ersten Blick so schien. Die Karte sah neu aus, wies keinerlei Gebrauchsspuren auf.
    Die Zeichnung war alles andere als kunstvoll ausgeführt, wie das bei Tarotkarten gemeinhin der Fall war. Hier hatte eine offensichtlich mäßig talentierte Hand ein dreiteiliges Bild auf ein Stück grundierten Karton gemalt. Es zeigte in groben schwarzen Strichen, die flüchtig bunt unterlegt waren, einen hässlichen Affen, der auf einem ebenso widerlichen Bock ritt. Aus dem rechten unteren Kartenrand ragte ein böse grinsendes Dämonengesicht ins Bild, während aus der oberen linken Ecke ein Engel herabschwebte. Aus seinen Augen schossen Flammen des Zorns, und er schwang eine wie ein Blitz geformte Lanze gegen den Affen und den Bock.
    »Nun, Pater? Was stellt die Karte Eurer Meinung nach dar?« Erwartungsvoll und mit dem Anflug eines wissenden Lächelns sah Tiberio Scalvetti ihn an.
    Pater Angelico gab einen schweren Seufzer von sich. Das Bild gab kein Rätsel auf. Jeder halbwegs Gläubige hätte es auf Anhieb zu deuten gewusst. »Zweifellos eine der sieben Todsünden, und bei dieser peccatum mortiferum handelt es sich um die der luxuria. «
    Der Commissario nickte knapp, so als habe er genau mit dieser und keiner anderen Antwort gerechnet. »Ganz recht, wir haben es mit einer gängigen bildlichen Darstellung der Todsünde Luxuria, also der Wollust, Ausschweifung und maßlosen Genusssucht zu tun. Und wenn ich mich nicht sehr täusche, soll das da oben in der Ecke der rächende Erzengel Gabriel sein.«
    »Ohne Frage, und das feixende Gesicht unten rechts stellt den Dämon Asmodeus dar«, fügte der Dominikaner widerstrebend hinzu. Jeder der sieben Todsünden – superbia, Hochmut, Eitelkeit, Stolz; avaritia, Geiz, Habgier; luxuria; ira, Zorn, Rachsucht, Vergeltung; gula, Maßlosigkeit, Gefräßigkeit, Selbstsucht; invidia, Eifersucht, Neid; und acedia, Feigheit, Faulheit, Ignoranz, Trägheit des Geistes – war gemäß der Kirchenlehre ein besonderer Dämon zugeordnet. Schnell reichte er die Karte an Tiberio Scalvetti zurück. Es widerte ihn an, sie noch länger in der Hand zu halten.
    »Asmodeus, genau!« Der Commissario schob die Karte in die Seitentasche seines Wamses. »Gut, darin sind wir uns also einig. Der eindeutige Hinweis auf diese Todsünde steht also auch im Einklang mit der Entmannung, oder wollt Ihr mir da widersprechen?«
    Wortlos schüttelte Pater Angelico den Kopf. Er fühlte sich elend und sehnte sich nach einem starken Trank, mit dem er den bitteren Geschmack hätte

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