Der Todesengel von Florenz
Unmutsfalte. »Wieso?«
»Auch wenn die Aussichten, dieses Verbrechen aufzuklären, nicht gerade rosig sind, handelt es sich doch um einen ungewöhnlichen Mord«, erklärte der Commissario. »Deshalb werde ich den Toten zunächst ins Bargello bringen lassen. Ich habe dort ohnehin gleich eine Besprechung mit meinen sieben Amtsbrüdern und werde sie bitten, gleichfalls einen Blick auf die Leiche zu werfen. Für den Fall, dass einem von ihnen irgendwann einmal ein ähnliches Verbrechen unter die Augen kommt.«
Dagegen konnte Pater Angelico keinen Einwand erheben. »Ich verstehe. Wann, meint Ihr, kann ich ihn im Bargello abholen?«
»Ich glaube nicht, dass es länger als dreißig, vierzig Minuten dauern wird. Und wenn Ihr nichts dagegen habt, werde ich nach der Leichenschau dafür sorgen, dass Euer Klosterbruder seinen Weg vom Bargello nach San Marco so gereinigt und würdevoll antritt, wie Ihr es Euch für ihn wünscht.«
»Das wäre sehr hilfreich, Commissario.«
»Gut, abgemacht. Wollt Ihr gleich mitkommen oder die Wartezeit lieber anderswo verbringen?«, erkundigte sich Tiberio Scalvetti. »Was ich an Eurer Stelle wohl tun würde. Aber das liegt natürlich ganz bei Euch. Sagt mir nur, wohin ich meinen Boten schicken soll, wenn die Leiche zum Abholen bereit ist.«
Pater Angelico überlegte nicht lange. »Wir werden im Giardino auf Eure Nachricht warten.«
Commissario Scalvetti lächelte kaum merklich. Dass der Malermönch die Taverne am Ufer des Arno zu seinen Lieblingsplätzen in der Stadt zählte, war ihm nur zu gut bekannt. »In Ordnung.« Er winkte die beiden Männer heran, die seitlich hinter Bruder Bartolo standen, und erteilte ihnen Anweisungen. »Schafft einen Leichenwagen heran! Und saubere Tücher! Ich will, dass dem toten Pater die Ehre zuteilwird, die ihm gebührt. Und bevor ihr ihn von hier wegbringt, legt ihr sein Geschlecht dorthin, wo es hingehört.«
»Sehr wohl, Commissario!«, rief Caporale Gualberti zackig und stieß den Mann neben sich an. »Los, mach das gleich.«
Der andere warf ihm einen erbosten Blick zu, wagte jedoch in Gegenwart von Tiberio Scalvetti keine Widerworte.
»Und noch etwas!«, rief der Chef der Geheimpolizei den Sbirri zu, bevor er den beiden Dominikanern in Richtung Straße folgte. »Die blutgetränkten Handschuhe, die der Mörder zurückgelassen hat, nehmt ihr auch mit. Sie liegen da in der Ecke.«
»Wird gemacht, Chef«, versicherte der Caporale.
Überrascht wandte sich Pater Angelico um. »Ihr habt die Handschuhe gefunden?«
Tiberio Scalvetti winkte ab. »Macht Euch keine Hoffnung. An diesen Handschuhen ist nichts, was über ihren Besitzer Auskunft geben könnte. Das Leder ist zwar von bester Qualität, trägt aber weder ein Monogramm noch sonst ein Zeichen, anhand dessen man Erkundigungen einziehen könnte. Es erscheint mir nur nicht richtig, sie hier im Dreck zurückzulassen.«
Die Enttäuschung war Pater Angelico anzusehen.
»Und nun entschuldigt mich! Es wird höchste Zeit, dass ich zu meinen Amtsbrüdern komme und sie über die beunruhigenden Machenschaften gewisser florentinischer Exilanten ins Bild setze«, sagte Commissario Scalvetti und eilte an ihnen vorbei. »Da draußen braut sich etwas zusammen, gegen das der entsetzliche Mord an Eurem Klosterbruder eine Lappalie ist!« Sprach es, schwang sich vor der Brandruine auf seinen feurigen Berberhengst, galoppierte durch die Gasse, die sich in der Mauer aus Schaulustigen auftat, wie sich einst das Rote Meer vor Mose geteilt hatte, und preschte mit fliegendem Umhang in Richtung Bargello davon.
14
F lorenz sonnt sich im Glanz seiner Prachtbauten und stinkt dabei zum Himmel!«, murmelte Pater Angelico mit finsterer Miene, während er mit Bruder Bartolo durch das Gewirr von Straßen und Gassen eilte. Es ging hinunter zum Fluss, denn das Giardino, seine bevorzugte Taverne, lag kurz vor der Ponte Vecchio direkt am Ufer des Arno.
Der Himmel über der stark befestigten Handelsmetropole war freigefegt von jeglichen Wolken, die Luft frisch und belebend, was er auf dem Weg zu seinem ermordeten und gottlos geschändeten Klosterbruder in seiner Geistesabwesenheit gar nicht wahrgenommen hatte. Es versprach ein milder, sonniger Februartag zu werden, auch wenn ihnen jetzt noch der Atem wie Dampf aus dem Mund wehte.
Gegen den unentrinnbaren Gestank vermochte die winterkalte Luft jedoch nicht viel auszurichten. Selbst die nächtlichen Regenschauer hatten an den ekelhaften Gerüchen in diesen engen Wohnvierteln wenig
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