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Der Todesengel von Florenz

Der Todesengel von Florenz

Titel: Der Todesengel von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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aufgerissenen, blutverschmierten Mund, ein abstoßendes, obszönes Bild.
    Aber damit noch nicht genug der gottlosen Schändung. Der Mörder hatte seinem Opfer eine merkwürdige, bunt bemalte Spielkarte auf die Brust gelegt. Und damit sie dort auch liegen blieb, hatte er sie auf einen langen rostigen Nagel gespießt und diesen dem Toten in den Leib gerammt, mitten ins Herz.
    Des Weiteren war der welke Körper des alten Dominikaners mit einer Reihe römischer Zahlen versehen. Der Mörder hatte sie ihm in die Haut geritzt. Allem Anschein nach hatte er sehr darauf geachtet, weder zu tief noch zu oberflächlich ins Fleisch zu schneiden, damit die Zeichen trotz des ausgetretenen Blutes mühelos zu entziffern wären.
    Und das waren sie. Es handelte sich um die Zahlenfolge LXXXIII , was nach dem modernen Dezimalsystem die Zahl 83 ergab.
    Tiberio Scalvetti verharrte schweigend an Pater Angelicos Seite. Als der Malermönch sich neben seinen toten Klosterbruder kniete, ihm die Augen schloss und ein Gebet sprach, rührte er sich nicht von der Stelle. Auch faltete er weder die Hände, noch bekreuzigte er sich, als Pater Angelico zum Abschluss die Segensworte über den Toten sprach.
    »Nun, was seht Ihr? Könnt Ihr Euch einen Reim auf all das machen?«, erkundigte er sich schließlich, als der Mönch das Kreuz über seinem toten Klosterbruder geschlagen und sich wieder aufgerichtet hatte. Dazu machte er eine ausladende Handbewegung, die erst den Kopf des Toten und dann den entblößten Leib mit der Spielkarte und den römischen Zahlen umschloss.
    Pater Angelico schüttelte den Kopf.
    Bruder Bartolo, bleich wie eine frisch getünchte Wand, wahrte noch immer reichlich Abstand zu dem Toten und presste sich eine Hand vor den Mund, als fürchte er, sich gleich noch einmal übergeben zu müssen. Caporale Gualberti und sein Kamerad, die ihnen mit etwas Verzögerung in die Ruine gefolgt waren, spähten dagegen aufmerksam an ihm vorbei und spitzten die Ohren, versuchten so viel wie möglich von dem mitzubekommen, was es dort in der Küchenecke zu sehen gab und was der Commissario und der Malermönch besprachen.
    »Würdet Ihr mir zumindest darin zustimmen, dass alles auf eine … nun ja, sexuell motivierte Tat hinweist?«
    »Pater Nicodemo war ein frommer Mann, der strikt nach den monastischen Geboten gelebt hat!«, erwiderte Pater Angelico scharf. »Dass diesem Mord ein sexuelles Motiv zugrunde liegen könnte, ist also völlig abwegig!«
    Die buschigen Brauen des Commissario wanderten leicht in die Höhe. »Ihr klingt sehr kategorisch. Würdet Ihr dafür Eure Hand ins Feuer legen?«, erkundigte er sich.
    »Ohne auch nur einen Wimpernschlag lang zu zögern!«, versicherte Pater Angelico. Er wusste, was Scalvetti angesichts der bestialischen Verstümmelung seines Klosterbruders durch den Kopf ging, und konnte es ihm noch nicht einmal verdenken.
    Die Lasterhaftigkeit unter Mönchen und kirchlichen Würdenträgern war ein hässliches und allen nur zu vertrautes Geschwür im Leib der heiligen Mutter Kirche. Und was Kardinäle und Päpste mit ihren Lustknaben und Mätressen in ihren Palästen trieben, holten sich nicht wenige Mönche bei Huren und Strichern in dunklen Torwegen und Hinterhöfen – aber auch bei Klosterbrüdern. Er selbst hatte bei nächtlichen Gängen durch die Stadt mehr als einmal gesehen, wie ein Mönch an einem verschwiegenen Ort seine Kutte bis zur Brust raffte und sich den Fertigkeiten eines jungen Flötenspielers ganz besonderer Art hingab. Und zweifellos gab es Klöster, in denen Brüder nachts heimlich das Lager miteinander teilten und sich der Sodomie hingaben.
    Aber zu dieser Sorte von Mönchen gehörte keiner der Dominikaner in San Marco, das nicht von ungefähr weit über die Grenzen Italiens hinaus für die Gelehrsamkeit und gottesfürchtige Lebensweise seiner Brüder gerühmt wurde!
    »Pater Nicodemo hat gelebt, was er mit seinen ewigen Gelübden geschworen hatte, Commissario! Das weiß ich so sicher wie das Vaterunser!«
    »Ich will Euch ja gern glauben, auch wenn wir alle oft irren in dem, was wir über unsere Mitmenschen zu wissen meinen«, sagte Tiberio Scalvetti beschwichtigend. »Aber …«
    »In diesem Fall ist jeder Irrtum ausgeschlossen!«
    »Sagt Ihr. Was aber nichts daran ändert, dass hier alles auf ein sexuelles Tatmotiv hindeutet«, entgegnete Tiberio Scalvetti mit einem Achselzucken. »Welchen Grund sollte der Mörder sonst gehabt haben, sein Opfer zu entmannen und ihm das Geschlecht in den Mund zu

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