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Der Todesengel von Florenz

Der Todesengel von Florenz

Titel: Der Todesengel von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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mehr damit anzufangen, wo er doch Euer Klosterbruder war und Ihr mit seinen …«, Tiberio Scalvetti zögerte kurz, bevor er achselzuckend fortfuhr, »… nun ja, Eigenheiten und seinem Lebenswandel besser vertraut seid als jemand, der nicht zum Konvent von San Marco gehört. Ihr werdet ja gleich mit eigenen Augen sehen, was der Mörder hinterlassen hat.« Damit stiefelte er weiter durch den Schutt.
    »Wer hat Pater Nicodemo überhaupt gefunden?«
    »Ein Stadtbüttel, seines Zeichens Amtsdiener beim Gericht. Der Mann hat sich hier auf dem Weg zur Arbeit schnell noch mal erleichtern wollen.«
    Pater Angelico rümpfte die Nase. »Dem Geruch nach zu urteilen, dürfte er nicht der Erste gewesen sein, der hier sein Wasser abgeschlagen hat.«
    »Wohl kaum«, pflichtete Tiberio Scalvetti ihm bei und wich einer schmutzigen Pfütze aus. »Aber der Bursche hatte immerhin so viel Verstand, sofort zum Bargello zu laufen und den Wachen seine Entdeckung zu melden. Und wie der Zufall es wollte, traf ich gleichzeitig mit ihm dort ein. Ich hatte noch nicht einmal Zeit, aus dem Sattel zu steigen und mein Pferd einem Stallknecht zu übergeben.«
    Im Bargello, einem festungsartigen Palast mit weitläufigem Innenhof, residierte der podestà, der oberste Richter und Repräsentant von Florenz. Aber in dem trutzigen, mit Zinnen und Wehrturm gewappneten Gebäude hatte auch die Otto di Guardia ihre offiziellen Amtsräume. Und ein Teil der verzweigten Kellergewölbe diente ihnen als Kerker – und Folterkammer.
    Der Commissario führte sie um eine halb eingestürzte Zwischenmauer herum – und da lag die geschändete Leiche von Pater Nicodemo.
    Augenblicklich schlug Pater Angelico der typisch metallische Geruch von Blut entgegen, der sich überall dort einstellte, wo viel Blut geflossen war. Plötzlich hatte er den Geschmack von Kupfer auf der Zunge.
    Bruder Bartolo stieß einen Schrei des Entsetzens aus. Er taumelte zurück, schlug die Hand vor den Mund und krümmte sich wie von einem Keulenschlag getroffen.
    »Bei Gott, ich hätte wirklich in der Werkstatt bleiben sollen! Heilige Muttergottes!« Die letzten Worte gingen in ein Würgen über. Überstürzt wandte er sich ab, stolperte zwei, drei Schritte zurück hinter die Zwischenmauer und übergab sich neben einem brusthohen Trümmerhaufen.
    Auch Pater Angelico war, als er Pater Nicodemos Leiche erblickte, als versetze ihm jemand einen brutalen Tiefschlag. Und dabei hatte Scalvetti ihn gewarnt. Hatte angekündigt, dass ihn in der Brandruine ein Anblick erwartete, der ihm böse auf den Magen schlagen würde. Genau so war es. Nicht auszudenken, was geschehen wäre, hätte er sich dem mit nüchternem Magen ausgesetzt. Vermutlich hätte er wie sein Novize bittere Galle und Magensäfte gespuckt.
    Ihn schauderte und er schluckte mehrmals, um die Übelkeit unter Kontrolle zu halten, was ihm zum Glück auch gelang. »Wie kann ein Mensch nur so bösartig und verdorben sein? Wer ist zu solch einer widerlichen Tat fähig?«, flüsterte er.
    Tiberio Scalvetti zuckte die Achseln. » Mysterium iniquitatis. Das Mysterium des Bösen beschäftigt mich schon mein Leben lang. Und doch glaube ich nicht, dass ich es jemals entschlüsseln werde.« Er klang erschreckend gleichmütig, so als habe er sich längst abgewöhnt, an das Gute im Menschen zu glauben.
    Pater Angelico gab keine Antwort. Er zwang sich, den geschändeten Leib seines Klosterbruders einer eingehenden visuellen Untersuchung zu unterziehen. Dies ohne Hast zu tun und jedem grausigen Detail Aufmerksamkeit zu schenken, war nicht leicht und kostete ihn eine gehörige Portion Überwindung.

13
    P ater Nicodemo lag in der hintersten Ecke des Küchenraums, und seine leblosen Augen starrten an ihnen vorbei ins brandgeschwärzte Gebälk. Er lag, Arme und Beine von sich gestreckt, auf dem Rücken, der Kopf mit dem schlohweißen Haar zeigte zur Wand.
    In seiner Kehle klaffte ein tiefer, schaurig anzusehender Schnitt, fast von einem Ohr zum anderen. Am Grund der Wunde hatte sich Blut gesammelt und war zu einer dunkelbraunen Kruste geronnen. Kutte und Untergewand waren von Blut getränkt. Sie waren von oben bis unten aufgeschlitzt und nach beiden Seiten zurückgeschlagen worden, so dass er vom Hals bis zu den Genitalien vollkommen entblößt dalag.
    Nur dass sein Geschlecht sich nicht mehr da befand, wo es hingehörte. Vielmehr klaffte auch dort eine grässliche Wunde. Der Täter hatte Pater Nicodemo entmannt. Penis und Hoden quollen dem Toten nun aus dem weit

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