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Der Todesengel von Florenz

Der Todesengel von Florenz

Titel: Der Todesengel von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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fortspülen können.
    »Was mir jedoch Kopfzerbrechen bereitet und so gar keinen Sinn ergibt, ist diese merkwürdige Zahl, die 83«, sprach der Commissario weiter. »Dabei muss sie eine Bedeutung haben, warum sonst hätte der Täter sie Eurem Klosterbruder in den Körper schneiden sollen? Und dann auch noch in römischen Ziffern. Obwohl … es ist vermutlich leichter, ›LXXXIII‹ in menschliches Fleisch zu schneiden, als eine wiedererkennbare ›83‹ mit all ihren komplizierten Rundungen.«
    Mit finsterer Miene starrte Pater Angelico auf die verkrusteten Wundmarkierungen hinunter und stutzte plötzlich. Sein Herzschlag beschleunigte sich. Mit einem Mal sprangen ihm das L und die vielen Blutflecken zwischen den Ziffern regelrecht in die Augen – schrien ihm stumm ihre Botschaft zu.
    Was, wenn mit dem L gar nicht die römische Ziffer 50 gemeint war? Was, wenn der Mörder in der Nacht nicht gesehen oder bedacht hatte, wie stark die einzelnen Wunden noch nachbluten würden?
    Ein kalter Schauer fuhr ihm den Rücken hinunter, und einen Augenblick zögerte er, ob er dem beklemmenden Verdacht wirklich nachgehen und ihn womöglich bestätigen oder ihn besser für sich behalten sollte.
    Aber nein, das konnte er nicht mit seinem Gewissen vereinbaren! Er wäre sich schäbig und feige vorgekommen, so als zweifle er plötzlich selbst an dem, was er eben noch mit so großem Nachdruck erklärt hatte. Das hatte Pater Nicodemo nicht verdient.
    »Seid so gut und gebt mir kurz Euren Dolch«, bat er den Commissario mit rauer Stimme und streckte die Hand nach der Waffe aus.
    Tiberio Scalvetti machte ein verständnisloses Gesicht, kam der Bitte aber nach. »Was habt Ihr vor, Pater?«
    »Ich glaube nicht, dass der Mörder hier die Zahl 83 hinterlassen hat«, sagte Pater Angelico schweren Herzens, nahm den Dolch entgegen und kniete sich neben die Leiche.
    »Wie bitte? Das soll nicht 83 sein?« Tiberio Scalvetti lachte verwirrt. »Entschuldigt, aber das ist doch nun wirklich offensichtlich!«
    »Nein, es scheint nur offensichtlich, weil die vielen Blutflecken verdecken, was es wirklich mit der Ziffernfolge auf sich hat«, widersprach Pater Angelico missmutig und machte sich an die Arbeit.
    Behutsam kratzte er mit der Spitze der Klinge erst rechts vom L das Blut weg, das dort aus der recht tiefen, waagerecht verlaufenden Wunde ausgetreten und bis an den Fuß des ersten X gelaufen war. Auf dem Rippenbogen war ein gut daumenlanger Blutfleck entstanden. Dann nahm er sich den Blutfleck hinter dem zweiten X vor.
    »Was um alles in der Welt sucht Ihr da?«, fragte Tiberio Scalvetti, beugte sich aber weit vor, um sich nichts von dem, was der Dominikaner mit seinem Dolch anstellte, entgehen zu lassen. »Was soll das bringen? Warum kratzt Ihr gerade diese Blutflecke weg?«
    »Deshalb!«, antwortete Pater Angelico im nächsten Augenblick, zog den Dolch zurück und kam aus der Hocke hoch. »Wegen dieser kleinen Schnittwunden hinter dem L und dem zweiten X, die unter den Blutflecken verborgen waren. Die hat der Mörder nicht von ungefähr dort angebracht!«
    »Beim Blute Christi!«, entfuhr es dem Commissario. »Diese kleinen Einstiche geben der Zahlenfolge natürlich ein völlig anderes Gesicht!«
    »Besser gesagt, sie machen aus der scheinbar reinen Zahlenfolge LXXXIII eine Botschaft, die aus dem Buchstaben L besteht, gefolgt von einem Trennstrich, dann der Zahl XX, auf die wiederum ein Komma folgt, und der abschließenden Zahl XIII«, präzisierte Pater Angelico.
    »Teufel auch, da habt Ihr genauer hingeschaut und kombiniert als ich!«, rief Tiberio Scalvetti freimütig. »Respekt! Was ich mit meinem müden Geist für eine 83 gehalten habe, hat sich also als Verweis auf eine Bibelstelle herausgestellt, heiliges Kanonenrohr! Denn das liegt ja nun auf der Hand, oder?«
    Pater Angelico nickte und erklärte schlicht: »Levitikus, Kapitel 20, Vers 13.«
    »Levitikus, drittes Buch Mose? Was macht Euch so sicher?« Der Commissario schien überrascht. »Das L könnte doch auch für den Evangelisten Lukas stehen.«
    Der Mönch schüttelte den Kopf. »Bei Lukas geht es in Kapitel 20 um das Gleichnis von den bösen Winzern, die erst den Abgesandten des Weinbergbesitzers, der nach dem Rechten schauen soll, verprügeln und vertreiben und später sogar dessen Sohn töten. Nein, hier ist eindeutig Levitikus gemeint, auch wenn ich wünschte, es wäre nicht so.«
    »So? Was steht denn bei Levitikus in Kapitel 20, Vers 13, dass Ihr so bedrückt

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