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Der Todesengel von Florenz

Der Todesengel von Florenz

Titel: Der Todesengel von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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dreinschaut?«
    Erneut entfuhr Pater Angelico ein tiefer Seufzer, dann zitierte er bekümmert den Vers aus dem Alten Testament: »Qui dormierit cum masculo coitu femineo uterque operati sunt nefas morte moriantur sit sanguis eorum super eos.« Schläft einer mit einem Mann, wie man mit einer Frau schläft, dann haben sie eine Greueltat begangen; beide sollen mit dem Tod bestraft werden, ihr Blut soll über sie kommen.
    Tiberio Scalvettis Augenbrauen schnellten in die Höhe. »Schau einer an! Es passt also doch alles zusammen wie das Schwertblatt in die Scheide!« Er konnte sich ein triumphierendes Lächeln nicht verkneifen, nahm seinen Dolch zurück und schob ihn schwungvoll in das mit gehämmertem Silber eingefasste Futteral. »Nun, ich denke, damit ist die Frage, was hinter dem Mord steckt, wohl endgültig beantwortet.«
    »Ganz und gar nicht! Nichts ist geklärt!«, verteidigte Pater Angelico mit verkniffener Miene die Unschuld seines Klosterbruders. »Dass hier einzelne Komponenten zusammenpassen, ist ja noch kein Beweis. Das ergibt nichts weiter als eine Behauptung … ach was, eine bösartige Verleumdung, die an der Wahrheit vollkommen vorbeigeht! Das ist übelster Rufmord, noch dazu an einem Toten, dessen gottgefälliger Lebenswandel über jeden Zweifel erhaben ist.«
    »Und doch muss derjenige, der Euren Klosterbruder ermordet und geschändet hat, ein Motiv gehabt haben. Er hat diesen abscheulichen Mord begangen und sich obendrein noch die Zeit genommen, das Opfer zu entmannen und diese eindeutige Botschaft zu hinterlassen«, hielt der Commissario nicht weniger hartnäckig dagegen. »Offenbar hält er sich für den Stellvertreter, für die ausführende rächende Hand des Erzengels Gabriel.«
    »Und ich sage Euch, das ist die Tat eines Geistesgestörten – oder eines abscheulich abartigen Lustmörders!«
    Tiberio Scalvetti blickte skeptisch drein und zuckte schließlich die Achseln. »Mag sein, dass Ihr recht habt, Pater. Kann aber auch sein, dass Euch, was Euer Bild von dem seligen Klosterbruder angeht, ein böses Erwachen droht, falls es gelingt, den Mörder zu finden«, sagte er, um sogleich hinzuzufügen: »Worauf ich jedoch vorerst nicht zu sehr hoffen würde. Niemand hat etwas gesehen oder hegt einen Verdacht, und es gibt auch sonst nichts, was uns auf die Spur des Täters führen könnte. Ihr wisst ja selbst, wie in solch einer Lage die Aussichten sind.«
    Pater Angelico nickte. Was die mögliche Entlarvung und Ergreifung des Täters betraf, gab er sich keinen Illusionen hin. Zwar waren Morde in Florenz nicht unbedingt an der Tagesordnung, aber es war auch nicht gerade eine Seltenheit, dass eine Leiche den Arno hinuntertrieb oder jemand ausgeraubt und abgestochen in einem Hinterhof oder einer finsteren Brandgasse gefunden wurde. Jedenfalls herrschte kein Mangel an Gewaltverbrechen. Schon gar nicht in den Elendsvierteln der Tagelöhner und jenen berüchtigten Gegenden der Stadt, wo sich Freudenhäuser, Spelunken, Hehlerstuben und Spielhöllen der verruchtesten Sorte drängten und allen Abarten des Lasters gefrönt wurde. Dort, wo gewissenloses Gesindel den Ton angab, wo Fäuste und Messer locker saßen und ganze Banden einander bekämpften. Kaum einer der in jenen Vierteln verübten Morde wurde je aufgeklärt, so gut wie nie kam es zu einer Gerichtsverhandlung oder wurde ein Mord durch die Hinrichtung des Täters gesühnt. Nur wenn mehrere Schurken beteiligt oder eingeweiht waren und einer von ihnen den Mund nicht halten konnte oder sich mit seinem Komplizen zerstritt und ihn gezielt verpfiff, wurde der Gerechtigkeit Genüge getan.
    »Aber wie dem auch sei, hier ist für uns nichts mehr zu tun«, befand Tiberio Scalvetti. »Wenn Ihr Euch irrt, ich aber mit meiner Vermutung richtigliege, wird dieser Mörder bald wieder zuschlagen.«
    »Ihr meint, weil zu einem Fall von Sodomie immer noch zwei gehören?«
    Der Commissario nickte. »Einen zu ermorden würde in diesem Fall – da der Mörder sich als Racheengel Gabriel geriert – ja keinen Sinn ergeben. Innerhalb dieser Logik muss dann auch für beide das Blut kommen.«
    »Ich hoffe, Ihr täuscht Euch«, murmelte Pater Angelico. »So, und jetzt werde ich dafür sorgen, dass Pater Nicodemo mit der gebührenden Würde nach San Marco gebracht und …«
    »Entschuldigt«, fiel Tiberio Scalvetti ihm höflich ins Wort, »aber es wird noch etwas dauern, bis Ihr ihn ins Kloster bringen lassen könnt.«
    Auf Pater Angelicos Stirn bildete sich eine steile

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