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Der Todesengel von Florenz

Der Todesengel von Florenz

Titel: Der Todesengel von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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kleiner, weinseliger Runde scheinbar der Versuchung erlag, mit dem dicken Fisch zu prahlen, den er angeblich an Land gezogen hatte.«
    »Dieser Sensale wächst mir richtig ans Herz«, spottete der Mönch.
    »Ja, ja, der aalglatte Zwerg ist ein Ausbund an Redlichkeit, das muss man ihm lassen«, sagte Scalvetti. »Jedenfalls war damit die Lügengeschichte heraus. Dass er seine Mitzecher bat, kein Wort über die Sache zu verlieren, hatte denn auch die gewünschte Wirkung. Natürlich blieb sie ganz und gar nicht geheim, sondern begann unter der Hand zu kursieren. Damit war denn auch die stille Hoffnung des Schlachters und des Feinschmieds dahin, dort könnte ein Signore in nächster Zeit bauen wollen. Die beiden hätten nämlich, wie man hört, bei einem guten Angebot nichts dagegen gehabt, ihre Läden und Wohnhäuser zu verkaufen. Damit schien es jedoch vorerst vorbei. Der Sensale ließ wohlweislich einige Zeit verstreichen und sprach dann eines Tages den Fallimagno an, ob er denn nicht die Zeit für gekommen halte, Haus und Werkstatt zu verkaufen. Er habe da einen jungen Meister an der Hand, der sich gern dort selbständig machen wolle, wenn man sich denn handelseinig werde.«
    »Ich nehme an, der Fallimagno hat keine Erben«, warf Pater Angelico ein.
    »So ist es. Ihr müsst zudem wissen, dass der Alte der Arbeit schon lange überdrüssig ist. Mit seinem Augenlicht steht es nicht zum Besten, und es drängt ihn, zu seiner deutlich jüngeren Schwester zu kommen. Sie ist mit einem Mann verheiratet, der bei Fiesole ein prächtiges Gut besitzt und gewillt ist, den Fallimagno und selbst seine übellaunige Frau bei sich aufzunehmen. Nur wollte sie davon nichts wissen, und da sie im Haus der Calvanos das Sagen hatte, wurde daraus auch nichts. Aber dann hat der Alte sich in einem Anflug unerhörter Courage ein Herz gefasst und Landozzi mit dem Verkauf von Haus und Werkstatt beauftragt. Und damit hatte der Sensale die Hand nicht nur auf dem großen Filetstück an der Ecke, sondern auch auf dem nötigen Endstück.« Der Commissario machte eine kurze Pause und fügte dann spöttisch hinzu: »Zu seinem Bedauern jedoch nicht lange.«
    »Weil er die Rechnung ohne Bartolomea Calvano gemacht hatte?«, folgerte der Mönch.
    »Womit Ihr absolut ins Schwarze getroffen habt«, gab der Commissario zurück. »Als sie erfuhr, was ihr Mann getan hatte, ist die Xanthippe in Landozzis Kontor gestürmt und hat ihm die Hölle heißgemacht. Sie hat ihn tatsächlich aufgefordert, den Vertrag, den er mit ihrem Mann geschlossen hatte, unverzüglich und vor ihren Augen zu zerreißen. Ihr wüstes Geschrei war bis auf die Straße zu hören. Sie hat Landozzi gedroht, ihn vor Gericht zu zerren, ihn wegen Betrugs, böswilliger Täuschung und aller möglicher anderer Schandtaten zu verklagen. Ihr Mann habe gar nicht verstanden, worum es gegangen sei, hat sie dem Sensale vorgehalten, außerdem könne er nicht einmal mehr lesen, unter was er da seine Unterschrift gesetzt habe. An den Pranger werde sie Landozzi bringen, und so fort.«
    »Und?«
    »Was blieb Landozzi übrig, als ihrem Willen zu entsprechen?«, fragte Scalvetti zurück. »Ein guter Ruf ist durch solch eine Anklage schnell beschädigt. Abgesehen davon dürfte der schmächtige Tintenkleckser angesichts dieses Berges von vor Wut kochendem Fleisch um sein Leben gefürchtet haben. Andererseits wäre der Sensale nicht, was und wer er ist, hätte er nicht selbst aus diesem bitteren Rückschlag noch einen Vorteil gezogen. Er konnte die Frau tatsächlich dazu bewegen, einem anderen Vertrag zuzustimmen, der einen Kompromiss darstellt. Demnach wird er, Landozzi, und kein anderer den Verkauf von Haus und Werkstatt aushandeln, sollten sich die Calvanos jemals gemeinsam zu diesem Schritt entschließen. Und da Bartolomea gar nicht daran dachte, sich in absehbarer Zeit damit einverstanden zu erklären, konnte sie zu diesem Vertrag ihren mürrischen Segen geben.«
    »Eine anregende Geschichte, die wieder einmal viel über die dunklen Seiten der menschlichen Natur verrät«, sagte Pater Angelico. »Nur scheint mir der Kern zu fehlen. Woher ist denn bekanntgeworden, dass mehrere reiche Signori ein Auge auf dieses Stück der Via Sant’Anna geworfen haben?«
    »Das hat Landozzi seinem jungen Schreiber Giacinto Cutolo zu verdanken«, erklärte Scalvetti. »Der hat die Abschrift des ersten Verkaufsvertrages ins Haus der Calvanos gebracht – und dabei den groben Fehler begangen, das Schriftstück der Frau des

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