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Der Todesengel von Florenz

Der Todesengel von Florenz

Titel: Der Todesengel von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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der Medici ein und aus geht, als sei es sein zweites Zuhause. Bei Jacopo Forlani sieht es etwas, aber doch nicht viel anders aus. Seine Familie hat bei der Pazzi-Verschwörung, als noch keiner wusste, ob der Umsturz gelingt oder scheitert, für Lorenzo bitterlich Blut gelassen und kann sich des Wohlwollens von Il Magnifico sicher sein, auch wenn dieser es nicht an die große Glocke hängt. Mittlerweile werden Jacopo Forlani schon in den Häusern einiger vornehmer Familien die Türen geöffnet; Familien, die zum inneren Kreis der Medici gezählt werden.«
    Der Mönch zuckte die Achseln. »Auch die Fische des Fürsten haben Gräten.«
    Nachdenklich sah Scalvetti ihn an und schüttelte dann den Kopf. »Was Ihr da gerade aufgezählt habt, trifft auf Dutzende, wenn nicht gar einige hundert Florentiner zu.«
    »Ja, wenn man das ›Cui bono?‹ außer Acht lässt«, beharrte der Dominikaner.
    »Dennoch ist es einfach grotesk anzunehmen, dass einer dieser reichen Männer nachts durch die Gassen schleicht und grausige Morde verübt, nur um diese Grundstücke erwerben zu können! Es mag sie in den Fingern jucken, an dieser Stelle zu bauen, das will ich gelten lassen. Aber dass sie dafür morden und riskieren, ertappt zu werden und vor der Stadt auf dem Richtplatz zu enden, das entbehrt jeder Wahrscheinlichkeit. Gibt es doch genug andere Plätze, wo sie ihren Palazzo hinsetzen können!«
    »Ich gebe zu, dass es nicht sehr wahrscheinlich klingt«, sagte Pater Angelico bedächtig. »Aber ist das nicht gerade der beste Schutz davor, überhaupt in Verdacht zu geraten?«
    Tiberio Scalvetti zog ein Gesicht, als habe sich der herrliche Wein unvermittelt in Essig verwandelt. »Jetzt klingt Ihr wie ein mit allen Wassern gewaschener Scholastiker, der über so viele Ecken zu argumentieren weiß, dass man ihm am Ende tatsächlich abnimmt, dass Sonne und Mond doch einmal zur selben Stunde im Zenit stehen können!«
    »Es mag ja sein, dass ich falschliege, aber gänzlich ausschließen würde ich die Möglichkeit nicht, Commissario. Vielmehr würde ich mich an Eurer Stelle durch vorsichtige Nachforschungen vergewissern, dass tatsächlich keiner von beiden als Täter in Frage kommt.«
    Tiberio Scalvetti schnaubte grimmig. »Mir scheint, Ihr verkennt …« Doch er verstummte mitten im Satz, als sein Blick auf einen einfach gekleideten, drahtigen Mann Mitte zwanzig fiel, der zügig, wenn auch nicht in auffälliger Eile über die Kreuzung kam und auf die Colombina zuhielt. »Kein Wort! Da kommt einer von meinen Ohren und Augen!«
    »Soll ich mich entfernen, damit Ihr ungestört reden könnt?«, bot der Mönch an.
    Der Commissario nickte. »Wenn Ihr die Güte hättet, kurz im Hinterhof nachzusehen, ob die Latrine besetzt ist? Aber haltet Euch nicht lange dort auf, es sei denn, ein menschliches Bedürfnis verlangt es tatsächlich.«
    Pater Angelico lachte, erhob sich und begab sich hinaus in den Hinterhof. Er fand die Latrine besetzt, und so blieb er ein, zwei Minuten in der frischen Luft stehen, ohne dass es merkwürdig ausgesehen hätte.
    Als er in die Schenke zurückkehrte, kam Tiberio Scalvetti, ein grimmiges Lächeln auf dem scharf geschnittenen Gesicht, ihm schon entgegen. »Unser Tagwerk scheint noch nicht vollbracht«, sagte er. »Kommt!«
    Verblüfft sah der Mönch ihn an. »Worum geht es?«
    »Meinem Mann ist etwas zu Ohren gekommen, dem wir auf der Stelle nachgehen müssen!«
    »Wir?«
    Tiberio Scalvetti warf ihm ein spöttisches Lächeln zu. »Warum nicht? Ihr scheint an nächtlichen Abenteuern doch Gefallen zu finden, wenn ich mich recht entsinne. Ich denke da an die Causa Movetti. Worum es geht, werde ich Euch gleich mitteilen. Und nun kommt! Denn wie sagt der tüchtige Bäcker: Carpe noctem! « Nutze die Nacht!

25
    T iberio Scalvetti zog ihn in den Durchgang, der von der Schankstube hinaus in den Hinterhof führte. Es wunderte Pater Angelico ein wenig, dass der Commissario die Colombina auf diesem Umweg verlassen wollte. Was sprach dagegen, den ganz normalen Ausgang zu nehmen? Scalvetti war hier bestens bekannt; Wirt wie einheimische Gäste sahen ihn häufig kommen und gehen.
    Dass der Commissario gute Gründe hatte, diesen Weg einzuschlagen, dämmerte ihm, als dieser im Flur nach wenigen Schritten vor einer schmalen Gittertür stehen blieb, die linker Hand in die Wand eingelassen war. Als er kurz zuvor nach draußen gegangen war, hatte er dieser Tür keine sonderliche Beachtung geschenkt, weil er annahm, dass sie hinunter in den

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