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Der Todesengel von Florenz

Der Todesengel von Florenz

Titel: Der Todesengel von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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und rieb sich die alte Landsknechtsnarbe auf der Wange. »Es ist weniger meine Person als vielmehr mein Prior, der Hoffnung in Euch und Euren Einfluss setzt«, erklärte er und legte dar, was Vincenzo Bandelli ihm aufgetragen hatte.
    Tiberio Scalvetti hörte aufmerksam zu, machte zunächst ein ungläubiges Gesicht und lachte schließlich laut auf. »Der Mann scheint nicht nur zu viel Zeit hinter Klostermauern zu verbringen, sondern auch wenig Kenntnis von der Natur des Menschen zu haben«, sagte er bissig. »Insbesondere von der des Pöbels. Geschwätz und Gerüchte sind für diese Leute eine zweite Nahrung. Das Maul muss was zu kauen haben!«
    »Wem sagt Ihr das?«
    »Lächerlich zu glauben, es stünde in irgend jemandes Macht, bösartige Nachreden im Volk zu unterdrücken! Selbst der fähigste wunderwirkende Heilige müsste an dieser Aufgabe verzweifeln. Gegen Windmühlen anzugehen wäre dagegen das reinste Kinderspiel.« Er schnaubte geringschätzig. »Nein, dieses Hirngespinst soll er sich gleich aus dem Kopf schlagen! Ihr dürft mich auch gern zitieren!«
    Pater Angelico hatte keine andere Antwort erwartet, ebenso wenig wie jeder andere halbwegs vernunftbegabte Mensch es an seiner Stelle getan hätte. »Ich sehe es nicht anders, Commissario. Es würde mir die Sache meinem Prior gegenüber jedoch um einiges leichter machen, wenn ich ihm ausrichten könnte, dass Ihr alles in Eurer Macht Stehende unternehmen werdet, um die verleumderischen Schmähreden über Pater Nicodemo zu unterbinden.«
    »Was, wie ich ja wohl klar zum Ausdruck gebracht habe, nichts sein wird.«
    Der Mönch neigte den Kopf. »Richtig. Aber das muss ich ja nicht unbedingt dazusagen. Es sei denn, er fragt nach und zwingt mich dazu.«
    Der Commissario lächelte verständnisinnig und nickte. »Ihr versteht Euch wahrlich nicht nur auf die Kunst der Malerei und die Heilige Schrift, Pater, ihr habt es auch sonst faustdick hinter den Ohren, wenn Ihr mir die Bemerkung erlaubt!«
    Pater Angelico erwiderte das Lächeln und zuckte die Achseln. »Ihr kennt doch gewiss den alten toskanischen Spruch, wonach man beim Fuchs nun mal so schlau sein muss wie der Fuchs, wenn man nicht zwischen die Zähne geraten will.«
    Der Commissario lachte. »Und ein schlauer Fuchs seid Ihr in der Tat!« Er nahm einen Schluck von seinem Wein. »Also gut, wenn Ihr es so geschickt verpackt, habe ich nichts dagegen, wenn Ihr ihm das ausrichtet.«
    »Womit mir schon sehr gedient ist«, sagte Pater Angelico erleichtert.
    Zwangsläufig wandte ihr Gespräch sich wieder dem Tarotkartenmörder zu und der Frage, was ihn zu seinen abscheulichen Taten trieb und weshalb er jedes Mal auf eine der sieben Todsünden verwies.
    »Ich kann mir keine andere Erklärung denken als die, dass der Mann geistesgestört und von einem religiösen Wahn besessen ist«, sagte Tiberio Scalvetti. »Nur ein Verrückter, der jegliches Gewissen verloren hat, ist zu so etwas imstande.«
    »Ist nicht jeder, der solche grässlichen Morde begeht, schwer im Geiste gestört?«, erwiderte der Mönch und erinnerte sich unwillkürlich der grauenhaften Gemetzel, die er in seiner Zeit als Landsknecht hatte miterleben müssen.
    »Mir scheint, hier liegen die Dinge doch etwas anders.«
    »Da stimme ich Euch zu. Aber es war sicher nicht irgendein dahergelaufener Verrückter, der diese Taten begangen hat. So besteht ja wohl kein Zweifel daran, dass es sich um einen recht gebildeten Mörder handelt«, gab Pater Angelico zu bedenken.
    Der Commissario nickte. »Gewiss, der Mann versteht sich nicht nur aufs Lesen und Schreiben, was ihn allein schon von der Masse des einfachen Volkes unterscheidet, sondern er verfügt auch über eine beachtliche Kenntnis der Heiligen Schrift.«
    »Und er muss aus dem Kaufmannsstand kommen«, fügte der Mönch hinzu.
    »Woraus schließt Ihr das?«
    »Daraus, dass er römische Ziffern verwendet«, erläuterte Pater Angelico. »Schließlich haben wir Italiener im Kaufmannswesen die doppelte Buchführung eingeführt. Da ist es seit langem gang und gäbe, beim Eintragen von Einnahmen und Ausgaben in die Rechnungsbücher römische Ziffern zu verwenden. Hier in Florenz ist es den Kaufleuten auf Betreiben der Steuereintreiber sogar gesetzlich so vorgeschrieben. Römische Ziffern sind nämlich nicht so leicht zum Nachteil der Kommune zu frisieren wie die Zahlen des Dezimalsystems.«
    »Was letztlich nur dazu geführt hat, dass jeder Kaufmann fleißig zwei Rechnungsbücher führt«, bemerkte Tiberio Scalvetti

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