Der Todesengel von Florenz
einen Nebeneffekt, haben die beiden Morde in der Via Sant’Anna in jedem Fall!«
»Jetzt ist es an Euch, mich zu erleuchten!«
»Niccolo Landozzi, der Sensale, der drüben in der Via Pietra Piana wohnt, wird sich heimlich die Hände reiben und schon im Geiste überschlagen, um wie viele Goldflorin er bald reicher sein wird.«
»Ich vermag Euch noch immer nicht zu folgen«, sagte Pater Angelico.
Der Commissario nickte. »Ich muss da wohl etwas weiter ausholen. Wer in diesem Teil der Stadt eine Immobilie kaufen oder verkaufen möchte, wendet sich an den Makler und Notar Niccolo Landozzi. Der hält hier die Fäden in der Hand und weiß, wie man das Beste aus einem Handel herausholt – für sich, aber auch für seine Kunden.«
»Kommt er als Mörder in Frage?«
Scalvetti lachte. »Ausgeschlossen! Der Sensale ist ein schmächtiges Kerlchen, das von dem Gewicht der Toten zerquetscht worden wäre, wenn er denn überhaupt wundersamerweise für einige Sekunden die Kraft aufgebracht hätte, sie vom Boden hochzuheben. Nein, das Schlitzohr stemmt nichts, das schwerer ist als Tintenfass und Federkiel! Zudem steckt in seinem Leib so viel religiöser Eifer wie in den Erlassen unserer Steuerkommission.«
»Ich verstehe.« Der Mönch klang ein wenig enttäuscht. Aber das wäre ja auch zu einfach gewesen. »Erzählt weiter! Wie kommt der Sensale hier ins Spiel?«
»Er vertritt den Erben des einstigen Besitzers der Brandruine, in der man Euren Klosterbruder gefunden hat. Der Mann lebt in Pisa, ist ein vermögender Kaufmann und hat mit dem Verkauf keine Eile. Der Sensale soll den höchsten Preis für ihn herausschlagen, und das dauert seine Zeit, sind doch mehrere Florentiner brennend daran interessiert, das große Eckgrundstück zu erwerben. Ihr wisst ja selbst, dass unter den Vermögenden unserer Stadt wieder einmal ein Wettrennen darum entbrannt ist, wer demnächst den größten und prächtigsten Palast bauen wird.«
Pater Angelico nickte. »Vierzig Jahre Steuerfreiheit«, bemerkte er und wartete gespannt, wohin Scalvettis Faden wohl führte.
»Genau. Und was die Eckimmobilie betrifft, so gibt es mehrere ernsthafte Interessenten«, fuhr der Commissario fort. »Nur ist natürlich keiner der Grandi und Nobili unserer Stadt so einfältig, eine Menge Gold in den Ankauf der heruntergebrannten einstigen Manufaktur zu versenken, ohne mindestens noch zwei oder drei der angrenzenden Häuser dazuzukaufen. Und das sind die Häuser des Feinschmieds Nozetti, des Schlachters Bellini und des Fallimagno Calvano.«
Der Mönch horchte auf und lehnte sich erwartungsvoll vor. »Ah, jetzt kommt ein wenig Licht in die Angelegenheit!«
»Wartet! Es ist komplizierter, als Ihr vielleicht vermutet«, sagte Tiberio Scalvetti schnell, um ihn vor voreiligen Schlüssen zu warnen. »Wie Ihr Euch sicher denken könnt, hängt kein Signore es an die große Glocke, dass er in naher Zukunft den Neubau seines Familiensitzes plant, und noch viel weniger, wo genau er zu bauen gedenkt.«
»Weil das die Preise der Häuser und Grundstücke, die er für seinen Palazzo braucht, rasant in die Höhe schießen lassen würde«, warf Pater Angelico ein.
Der Commissario nickte. »Genau. Deshalb bedient man sich eines versierten Mittelsmannes wie Niccolo Landozzi, der, wie ich bereits sagte, ein ausgemachtes Schlitzohr ist und sich auf dieses Versteckspiel versteht wie kaum ein anderer. Er hat erst einmal das Gerücht gestreut, dass er schon einen Käufer für das Eckgrundstück habe. Einen Stoffveredler aus Siena, der nach Florenz übersiedeln und mit dem Bau seiner Manufaktur beginnen wolle, sobald er das Bürgerrecht erhalten habe und in der Gilde eingetragen sei.«
»Was bei einem Mann mit Geld und Namen zwar ein paar Monate dauern mag, aber so sicher kommen wird wie das Amen in der Kirche«, meinte Pater Angelico. »Nach der alten Devise: Wo der Gewinn – hier für die Stadt – am größten ist, da ist das Recht.«
Es zuckte in Tiberio Scalvettis Mundwinkeln. »Man könnte auch sagen: Jede Sache, die rentabel ist, fällt in gemeine Hände«, hieb er in dieselbe Kerbe. »Aber nun gut, so liegen die Dinge nun einmal in unserer Kommune – und nicht nur hier. Jedenfalls hat Landozzi diese reizende Lüge geschickt in Umlauf gebracht. Natürlich hat er sie nicht plump in die Welt hinausposaunt. Vielmehr kam sie ihm vorgeblich unbedacht über die Lippen, als er hier in der Colombina den Abschluss eines anderen, weitaus weniger lukrativen Geschäftes feierte und in
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