Der Todesflieger
»verladen umgehend die Kisten, die Sie hier auf dem Dock sehen, in das U-Boot.«
»Wir arbeiten nicht für Verbrecher«, erwiderte Pitt ruhig.
»Sie wollen einfach nicht mit sich reden lassen. Na gut.« Von Till wandte sich an Darius.
»Schieß ihm ein Ohr weg. Dann die Nase, dann…«
»Halt’s Maul, du elender Scheißkerl!« stieß Woodson in äußerster Wut hervor. »Wir beladen deinen Mistkahn ja schon.«
Sie hatten keine Wahl, Pitt hatte keine Wahl. Ohnmächtig mußte er zusehen, wie Spencer und Hersong die Holzkisten vom Stapel nahmen und sie weiter an Knight und Thomas auf das U-Boot reichten. Woodson verschwand im Laderaum ; nur seine Arme, die immer wieder aus der Luke heraus nach einer Kiste griffen, waren noch von ihm zu sehen.
Pitts Bein begann ernstlich weh zu tun. Er hatte das Gefühl, als hetzte ein winzig kleines Männchen mit einem Flammenwerfer in seiner Wunde hin und her. Ein- oder zweimal stand er dicht vor einer Ohnmacht; doch durch eine verzweifelte Willensanstrengung gelang es ihm jedesmal, die dunklen Nebel vor seinen Augen wieder zu vertreiben. Er zwang sich, das Gespräch mit von Till in unverbindlichem Plauderton fortzusetzen.
»Sie haben mit dem ›Wann‹ nur die Hälfte meiner Frage beantwortet, von Till.«
»Interessieren Sie die Umstände Ihres Ablebens wirklich so sehr?«
»Wie gesagt, ich hasse Überraschungen.«
Von Till warf Pitt einen langen, nachdenklichen Blick zu.
Dann zuckte er die Schultern.
»Wenn Sie es unbedingt wissen wollen« Er hielt inne und sah abermals auf seine Uhr »Sie und Ihre Männer werden erschossen. Ein grausames Ende, zugegeben; doch, wie ich glaube, immer noch humaner, als bei lebendigem Leibe begraben zu werden.«
Pitt überlegte. »Sie ziehen es vor zu verschwinden, von Till?
Aber natürlich: Das Verladen der Ware und der technischen Ausrüstung, die Tatsache, daß Sie sogar die Maschinengewehre aus der
Albatros
ausbauen lassen – das alles kann nur bedeuten, daß Sie Ihre Zelte abbrechen und das Weite suchen. Und sobald Sie hier heraus sind, jagen Sie die ganze Höhle in die Luft.
Damit sind alle Spuren verwischt. Unsere Leichen werden unter dem meterhohen Schutt nie gefunden werden.«
Verblüffung und Mißtrauen spiegelten sich auf von Tills Zügen. »Bitte, fahren Sie fort, Major. Ich finde Ihre Überlegungen hochinteressant.«
»Sie stehen unter großem Zeitdruck. Der Boden brennt Ihnen unter den Füßen. Unter uns, in diesem U-Boot, lagern einhundertdreißig Tonnen Heroin – sie wurden in Shanghai an Bord genommen und dann mit einem Frachter der
Minerva Lines
durch den Indischen Ozean und den Suez-Kanal hierhertransportiert. Ich muß Ihnen für Ihren Einfallsreichtum wirklich ein Kompliment machen, von Till. Jeder andere Gangster hätte versucht, das Heroin klammheimlich durch ein Hintertürchen in die Vereinigten Staaten zu schmuggeln. Nicht Sie! Sie posaunen erst einmal in der ganzen Welt herum, welche Ladung die
Queen Artemisia
an Bord hat und was ihr Bestimmungshafen ist. Verdammt gerissen! Selbst wenn INTERPOL dahinterkäme, daß Sie Ihren Schmuggel mit einem Unterseeboot betreiben – nützen würde das ihnen nichts. Denn INTERPOL hat im Augenblick ausschließlich die
Queen Artemisia
im Auge. Sie verstehen, was ich meine?«
Von Till schwieg.
»Wie Ihnen Darius zweifellos mitgeteilt hat«, fuhr Pitt fort, »vertrödeln Inspektor Zacynthus und das Drogendezernat ihre Zeit gegenwärtig damit, in Chicago eine Falle für die
Queen Artemisia
aufzubauen. Ich möchte nicht deren lange Gesichter sehen, wenn sie feststellen, daß das Schiff nichts als Kakao geladen hat, bis zum Rand.«
Pitt hielt inne, um sein Bein bequemer zu lagern. Er bemerkte, daß Knight und Thomas sich zu Woodson in den Laderaum gesellt hatten.
»Sie können sich beglückwünschen, von Till«, fuhr er fort.
»Die Leute von INTERPOL sind Ihnen voll und ganz auf den Leim gekrochen. Sie haben nicht die geringste Ahnung, daß das Heroin in Wirklichkeit letzte Nacht hier an Land gebracht wurde und erst mit dem nächsten Schiff der
Minerva Lines
weitertransportiert werden soll. Wenn ich mich nicht irre, ist das die
Queen Jocasta.
Sie hat türkischen Tabak geladen und ist unterwegs nach New Orleans. In circa zehn Minuten wird sie hier vor der Küste vor Anker gehen. Deshalb sind Sie auch so nervös. Denn weil Sie es so verdammt eilig haben, sich von Thasos abzusetzen, müssen Sie Ihr U-Boot bei hellichtem Tage an die
Queen Jocasta
ankoppeln.«
»Sie haben eine
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