Der Todeskünstler: Thriller (German Edition)
brauchten jemanden, der für sie die Nutte spielt. Zuerst war ich sauer, doch bald fand ich Gefallen daran. Ich war gut in meinem Job. Ich hatte den Bogen raus.«
Erneut dieses unbewusste Lächeln. Ihr Gesicht ist sehr lebhaft.
»Ich hielt Verbindung zu Sarah. Sie wurde von Jahr zu Jahr härter und kälter. Ich glaube, ich war der einzige Mensch, der sie vor dem Durchdrehen bewahrt hat. Ich war die Einzige, die sich wirklich etwas aus ihr gemacht hat und sie die ganze Zeit kannte.« Sie richtet die blinden Augen erneut auf das Küchenfenster. Nachdenklich. »Ich schätze, das ist der Grund, dass dieser … Künstler mich überfallen hat. Nicht, weil ich Detective geworden war. Nicht, weil ich nachbohrte. Sondern weil er wusste, dass Sarah mir nicht gleichgültig war. Er wusste, dass ich seine Botschaft weitergeben würde, wenn ich glaubte, Sarah damit helfen zu können.«
»Was für eine Botschaft?«, fragt Callie.
»Dazu komme ich gleich. Die andere Sache … Wahrscheinlich dachte er, dass die Zeit gekommen sei, mich Sarah wegzunehmen.« Sie dreht den Kopf in meine Richtung. »Verstehen Sie?«
»Ich glaube schon. Sie sprechen von dem, was er für Sarah geplant hat.«
»Ja. Ich war der einzige Mensch, der noch wusste, wie Sarah in Wirklichkeit war … der einzige Mensch, auf den sie sich noch verlassen konnte. Ich weiß nicht, warum er es überhaupt so lang hat dauern lassen. Vielleicht, um ihr Hoffnung zu geben?«
»Damit er ihr diese Hoffnung nehmen konnte«, sage ich.
Sie nickt. »Ja.«
»Erzählen Sie uns von dem Tag«, sagt Callie mit sanftem Drängen.
Cathy packt die Kaffeetasse fester, ein kurzes Aufflackern von Emotionen.
»Es war ein Tag wie jeder andere. Ich glaube, das hat mich am meisten schockiert. Es war nichts Besonderes geschehen, weder auf der Arbeit noch im Privaten. Das Datum war bedeutungslos, das Wetter war so normal wie nur was. Der einzigeUnterschied zwischen diesem Tag und allen anderen war, dass er sich gesagt hatte, dass die Zeit reif ist.« Sie trinkt einen Schluck Kaffee. »Ich kam von der Spätschicht. Mitternacht war vorbei, als ich nach Hause kam. Es war dunkel. Alles war ruhig. Ich war müde. Ich schloss die Wohnungstür auf und ging geradewegs unter die Dusche. Das tat ich immer, wenn ich von der Arbeit kam. Es war symbolisch. Tue deine schmutzige Arbeit, geh nach Hause und wasch alles ab. Sie wissen, wie das ist.«
»Sicher«, antworte ich.
»Ich zog mich aus und ging unter die Dusche. Als ich fertig war, zog ich einen Bademantel an und nahm ein Buch, das ich gerade las. Dann schenkte ich mir eine Tasse Kaffee ein und setzte mich hierher.« Sie tätschelt mit einer Hand die Lehne ihres Sessels. »Es war ein anderer Sessel, doch er stand am gleichen Platz. Ich erinnere mich noch, wie ich den Kaffee auf den Tisch stellte …« Sie ahmt die Bewegung nach, als sie die Szene durchlebt. »Plötzlich lag eine Schnur um meinen Hals, zerrte mich zurück … brutal, unglaublich schnell. Ich versuchte mich zu wehren, die Hände zwischen die Schnur und meinen Hals zu schieben, doch er war zu schnell. Zu schnell und zu stark.«
»Bei einem kräftigen Angreifer hat das Opfer meist keine Chance«, sagt Callie. »Sie hätten wahrscheinlich nicht viel tun können.«
»Normalerweise glaube ich es auch.« Sie trinkt von ihrem Kaffee. Diesmal ist es ihre Lippe, die bebt. »Er wusste sehr genau, was er tat. Er riss mich nach hinten und nach oben …« Sie fasst sich an die Kehle, demonstriert die Bewegung. »Ich war innerhalb von Sekunden ohnmächtig.« Sie schüttelt den Kopf. »Soll man das glauben? Sekunden! Er hätte mich an Ort und Stelle erledigen können. Ich wäre nie wieder aufgewacht. Ich wäre gestorben. Doch er …« Ihre Stimme bricht. »Irgendwann wachte ich wieder auf. Und wieder und wieder. Er hatte mich mit einem Seil gefesselt, von Kopf bis Fuß. Er konnte es nach Belieben straffen, die Blutzufuhr zu meinem Gehirnunterbrechen, und ich wurde ohnmächtig. Er konnte es lockern, und ich kam wieder zu mir. Dann zog er es wieder fest. Und so weiter. Einmal wachte ich auf, und mein Bademantel war verschwunden. Ich war nackt. Ich verlor das Bewusstsein, erwachte von neuem, und meine Hände waren hinter dem Rücken gefesselt, mein Mund geknebelt. Es war, als würde ich wieder und wieder ertrinken und jedes Mal in einem neuen Teil eines Albtraums aufwachen. Aber wissen Sie, was das Schlimmste war? Dass er kein Wort gesprochen hat. Nicht ein einziges Wort.«
Ich bemerke die
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