Der Todeskünstler: Thriller (German Edition)
hielt den Mund.«
»Das war eine kluge Entscheidung, Cathy«, sage ich. »Das Bild, das wir von diesem Kerl gewinnen, zeigt einen Mann, der nicht blufft. Hätten Sie etwas gesagt, hätte er seine Drohung wahrgemacht und sich Sarah vorgeknöpft, oder Sie beide.«
»Das sage ich mir auch andauernd«, erwidert sie und versucht zu lächeln. Sie trinkt einen weiteren Schluck Kaffee. »Er hat mich verdammt übel zugerichtet. Er hat mir den Schädel eingeschlagen, so schlimm, dass sie einen Teil der Knochen wegnehmen mussten. Er brach mir Arme und Beine mit dem Rohr und schlug mir die meisten Zähne aus. Was Sie sehen,sind Implantate. Was noch? Oh ja … bis zum heutigen Tag kann ich nicht mehr vor die Tür gehen, ohne eine ausgewachsene Panikattacke zu erleiden.«
Sie hält inne, wartet auf eine Reaktion von uns. Ich erinnere mich an die Nachwirkungen des Überfalls auf mich und daran, wie sehr ich die Ratschläge hasste, die andere Leute mir erteilt haben. Nichts als gedankenlose Phrasen, weil niemand die passenden Worte gefunden hatte.
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll«, sage ich zu ihr.
Ihr Lächeln ist diesmal warm und echt und kommt unvorbereitet.
»Danke.«
Sie begreift, dass ich sie verstehe.
»Und nun, Cathy – was hat er Ihnen gegeben?«
Sie deutet in den hinteren Teil ihrer Wohnung. »Das Schlafzimmer ist rechts. Sie finden es in der oberen Schublade.«
Callie nickt mir zu, erhebt sich und geht ins Schlafzimmer.
Einen Augenblick später kommt sie zurück. Ihre Miene ist verwirrt. Sie setzt sich, öffnet die Hand, gibt den Blick frei auf das, was sie darin hält.
Etwas Goldenes, Glänzendes. Ein Abzeichen. Eine Polizeimarke des LAPD.
»Es ist meins«, sagt Cathy. »Mein Abzeichen.«
Ich starre darauf.
Symbole sind bloß Symbole.
Ich bin völlig aufgeschmissen, schaue Callie an, hebe fragend eine Augenbraue. Sie zuckt die Schultern.
»Haben Sie eine Ahnung, warum er diesem Abzeichen besondere Bedeutung beigemessen hat?«, frage ich Cathy.
»Nein. Ich wüsste es zu gern, aber ich weiß es nicht. Glauben Sie mir, ich habe lange, lange Zeit darüber nachgedacht.«
Mein Gefühl der Hilflosigkeit und meine Enttäuschung nehmen zu. Nicht wegen Cathy. Ich bin hergekommen in derHoffnung auf Antworten; ich war ganz aufgeregt angesichts dieser Möglichkeit. Doch alles, was ich vorfinde, sind weitere Fragen.
»Würden Sie mir eine Frage beantworten?«, fragt Cathy.
»Ja, sicher.«
»Wie sind Sie in Ihrem Job?«, fragt sie mich. »Sind Sie gut genug, um diesen Kerl zu schnappen?«
Das ist die Stimme des Opfers. Ein wenig hauchig, ein wenig hungrig, erfüllt von Hoffnung und Zweifel. Emotionen huschen über ihr Gesicht: Freude, Zorn, Trauer, Hoffnung, Wut und mehr, ein Regenbogen aus Licht und Schatten.
Ich starre sie an, blicke auf die Narben unter ihrem Haaransatz, betrachte mein eigenes Spiegelbild in ihren dunklen Brillengläsern, sehe das Hässliche, das er erschaffen hat, doch auch ein wenig von der Schönheit, die er nicht zerstören konnte. Ein schreckliches Gefühl überkommt mich. Schmerz und Wut und ein beinahe überwältigendes Verlangen, jemanden umzubringen.
Callie antwortet an meiner Stelle.
»Wir sind die Besten, Cathy. Die Allerbesten.«
Cathy starrt uns an. Ich fühle mich »gemustert« – blind oder nicht blind.
»Okay«, flüstert sie. Nickt. »Okay.«
»Möchten Sie Polizeischutz?«, frage ich.
Cathy runzelt die Stirn. »Warum?«
»Ich … wir jagen diesen Burschen. Irgendwann wird er es erfahren. Vielleicht will er sogar, dass wir uns auf seine Spur setzen. Es könnte sein Interesse an der Vergangenheit erwachen lassen.«
»Sein Interesse an mir, meinen Sie.«
»Möglich. Ich weiß, er hat versprochen, Sie in Ruhe zu lassen, wenn Sie tun, was er sagt, doch er ist nicht gerade vertrauenswürdig.«
Sie zögert, überlegt, eine ganze Weile diesmal. DerAugenblick scheint kein Ende zu nehmen. Schließlich schüttelt sie den Kopf.
»Nein. Ich schlafe mit der Pistole unter dem Kopfkissen. Ein verdammt ausgeklügeltes Alarmsystem.« Ihr Grinsen ist humorlos. »Und ich hoffe insgeheim, dass er noch einmal herkommt, um mir einen Besuch abzustatten. Ich würde ihm den Schädel wegpusten, mit dem größten Vergnügen.«
»Sind Sie sicher?«
»Absolut.«
Ich schaue Callie an, und zwischen uns ist das unausgesprochene Einvernehmen: Wir stellen ihr einen Streifenwagen vor die Haustür, ob es ihr passt oder nicht.
Sie nimmt einen weiteren Schluck Kaffee. Lauwarm inzwischen,
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