Der Todeskünstler: Thriller (German Edition)
telefonieren, und dann sind wir mit ihm zu dem Haus gefahren. Rate mal was?« Er zögert, um dieSpannung zu erhöhen. »Das Haus wurde nicht mehr betreten, seit die Spurensicherung es vor zehn Jahren freigegeben hat.«
»Willst du mich auf den Arm nehmen?« Ich kann meine Fassungslosigkeit nicht verbergen. Callie mustert mich von der Seite.
»Ganz und gar nicht. Und es fehlen bloß ein paar Sachen aus Sarahs Zimmer. Vielleicht ist der Künstler noch mal zurückgekommen und hat ein paar Souvenirs mitgehen lassen.«
»Gib mir die Adresse«, sage ich.
Er nennt mir die Adresse, und ich beende das Gespräch. Ich bin ganz aufgeregt.
»Sag schon, was los ist, Zuckerschnäuzchen«, verlangt Callie. »Oder ich singe auf der Stelle die Nationalhymne, aus voller Kehle.«
Das ist eine wirkungsvolle Drohung. Vieles an Callie ist wunderbar, aber ihre Singstimme nun wirklich nicht.
In Malibu, habe ich immer geglaubt, lebt ein Mix aus Reichen und Glückspilzen. Die Reichen sind diejenigen, die es sich leisten können, in dieser begehrten Gegend am Meer heutzutage noch ein Haus zu kaufen. Die Glückspilze sind diejenigen, die sich hier ein Haus gekauft haben, bevor die Preise in astronomische Höhen geklettert sind.
»Wunderschön«, sagt Callie, als wir über den Pacific Coast Highway gleiten.
»Ohne Zweifel«, pflichte ich bei.
Es ist kurz nach Mittag, und die Sonne hat beschlossen, endlich wieder hervorzukommen. Das Meer liegt zu unserer Linken, weit, blau, eine unaufhaltsame, unbezwingbare Macht, die gegen die küsten brandet. Man kann das Meer lieben, doch man sollte nicht erwarten, dass es diese Liebe erwidert. Dazu ist es zu endlos.
Zur Rechten sind die Hügel überzogen von gewundenen Straßen, die zu den verschiedenen Anwesen undWohngegenden von Malibu führen. Jede Menge Grün, wahrscheinlich vom vielen Regen. Keine gute Neuigkeit für die herannahende Waldbrandsaison.
Wir finden unsere Abzweigung, und nach zehn Minuten und ein paar Mal Verfahren stehen wir vor der angegebenen Adresse. Alan und Barry haben draußen auf uns gewartet. Alan steht da und lauscht Barry, der an Alans Wagen lehnt, raucht und erzählt. Sie sehen uns und kommen herbei, als wir aussteigen.
»Hübsch«, bemerke ich mit einem Blick zum Haus der Langstroms.
»Es ist ein ziemlich großes Haus«, sagt Barry mit einem Blick in sein Notizbuch, seine eigene Version von Ned. »Fast tausend Quadratmeter Grundstück, drei Badezimmer. Sie haben es vor zwanzig Jahren für dreihunderttausend Dollar gekauft. Inzwischen ist es anderthalb Millionen wert – und vollständig abbezahlt von dem geheimnisvollen Wohltäter.«
Das Haus ist typisch amerikanisch, nicht kalifornisch. Ein großer, von einem weißen Zaun umgebener Vorgarten, der obligatorische Baum zum klettern für die Kinder, ein kopfsteingepflasterter Weg zur Haustür und eine Atmosphäre von Komfort und Gemütlichkeit. Das Haus ist in hellen Beigetönen gestrichen und macht einen sehr gepflegten Eindruck.
»Es gibt doch sicher eine Firma, die mit der Instandhaltung beauftragt wurde?«, frage ich Alan.
Er nickt. »Ja. Einmal die Woche kommt ein Gärtner, die Sträucher werden vor der Waldbrandsaison zurückgeschnitten, und das Haus wird alle zwei Jahre neu gestrichen.«
»Alle zwei Jahre?«, fragt Barry ungläubig. »Ich streiche meins alle fünf, wenn es hochkommt.«
»Die Salzluft«, erklärt Alan.
»Wo ist der Anwalt?«, frage ich.
»Er hat einen Anruf von einem Mandanten bekommen und musste weg.«
»Haben wir einen Schlüssel?«, will ich wissen.
»Haben wir.« Alan grinst und öffnet eine riesige Hand mit zwei Schlüsseln an einem Ring.
»Gehen wir rein.«
Als ich das Haus betrete, überkommt mich erneut das Gefühl der Losgelöstheit. Ich bin wieder in der Zeitmaschine.
Das Problem ist, dass Sarahs Geschichte zu lebendig ist. Sie hat alles zusammengesucht, was sie noch empfindet, und es dazu benutzt, ihrer Geschichte Leben einzuhauchen. Ihre Anstrengungen sind von Erfolg gekrönt – sie hat uns mitgerissen.
Beinahe rechne ich damit, dass mir Buster und Doreen entgegenkommen, und ich spüre einen Anflug von Traurigkeit, als es ruhig bleibt.
Im Haus ist alles dunkel. Sonnenlicht, das durch die Läden im Plantagenhausstil fällt, erzeugt eine gedämpfte Helligkeit. Ich trete in die Halle und stehe auf einem Fußboden aus Kirschholzdielen, überzogen von einer Staubschicht. Die Dielen setzen sich in der Küche zur Rechten fort. Ich sehe Arbeitsflächen aus Granit, dazu
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