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Der Todeskünstler: Thriller (German Edition)

Der Todeskünstler: Thriller (German Edition)

Titel: Der Todeskünstler: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cody Mcfadyen
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doch darüber reden wir nicht, nein, darüber reden wir kein Wort.
    Doch nichts war so schlimm wie damals, als Ned und Desiree starben. Ich habe viel darüber nachgedacht. Der Tod der beiden war für mich tatsächlich der Anfang vom Ende. Es f ing mit Mom und Dad und Buster an und endete mit Desiree und Ned und Pumpkin. Seit jenem Tag ist alles, ob gut oder böse, nur noch wie ein undeutlicher Traum.
    Cathy hat mir angeboten, mich zu adoptieren, aber ich wollte nicht.
    Ich hatte Angst, wissen Sie? Angst, dass Cathy sterben würde, falls sie mich bei sich aufnahm.
    Dann verschwand sie ganz. Mir wurde erzählt, dass jemand sie überfallen hätte, doch keiner wollte mir verraten, was genaugeschehen war oder wer es getan hatte. Sie nahm das Telefon nicht ab, wenn ich anrief, und sie rief niemals zurück, wenn ich eine Nachricht hinterließ.
    Ich ließ Cathy in den tiefen schwarzen Schacht fallen, genau wie alles andere auch.
    So nenne ich es – den tiefen schwarzen Schacht. Er ist in mir, er begann sich an dem Tag zu füllen, als Desiree und Ned starben. Er ist voll mit schwarzem, stinkendem Zeug, zäh wie Öl. Doch er ist auch irgendwie praktisch, weil man Dinge hineinwerfen kann, die einem weh tun. Sie versinken und verschwinden für immer.
    Dass Cathy nicht zurückrief, tat weh. Also warf ich sie in den tiefen schwarzen Schacht. Bye-bye.
    Was ich ganz gewiss nicht in den Schacht werfen würde, war das, was mit Karen Watson passiert war. Als diese Fotze ins Gefängnis musste. Ich weiß, ich weiß, Fotze ist ein furchtbar schlimmes Wort, besonders aus dem Mund eines Mädchens, aber ich kann nicht anders. Karen Watson war eine Fotze. Dieses Wort wurde praktisch eigens für sie erfunden! Ich hasste sie aus tiefstem Herzen, und ich hoffte, dass sie im Gefängnis abkratzte. Manchmal träume ich davon, dass jemand ein Messer in sie rammt und ihr den Bauch aufschlitzt, wie einem Fisch, und dass sie dann herumzappelt und schreit und blutet. Ich wache stets mit einem Grinsen auf, wenn ich diesen Traum hatte.
    Eines Tages starb sie tatsächlich. Jemand schlitzte ihr die Kehle durch. Von einem Ohr zum anderen. Ich grinste, bis ich glaubte, meine Backen müssten reißen. Dann weinte ich, und die Verrückte in mir blinzelte ein paar Mal und weinte dann mit mir. Schwarze dicke Tränen.
    Verdorbenes Wasser, Baby. Alles nur noch eine stinkende Brühe. Ungenießbar.
    Was mich anging, ich landete immer wieder aufs Neue im Heim. Ich hatte inzwischen einen gewissen Ruf erlangt, also versuchten nicht viele Mädchen, sich mit mir anzulegen. Ich blieb für mich allein.
    Was so am besten ist, weil ich mehr oder weniger erledigt bin,wissen Sie? Manchmal kriege ich dieses Gefühl, als würde ich nackt am Nordpol sitzen, aber mir ist nicht kalt, weil ich überhaupt nichts mehr fühlen kann. Ich blickte hinunter in den tiefen schwarzen Schacht, sehe zu, wie er blubbert. In unregelmäßigen Abständen werden Hände sichtbar, greifen nach draußen, und manchmal erkenne ich die Hände sogar.
    Der Künstler ließ mich ein paar Jahre in Ruhe. Ich weiß es nicht genau, aber ich nehme an, er hat mich weiter beobachtet. Ich glaube, er war zufrieden, solange die Pflegeeltern bösartig waren.
    An meinem vierzehnten Geburtstag bekam ich eine weitere Karte. Darauf stand: »Ich komme dich besuchen.« Das war alles. In jener Nacht wachte ich schreiend auf und konnte nicht mehr aufhören. Ich schrie und schrie und schrie. Sie mussten mir Beruhigungsmittel geben und mich auf ein Bett schnallen. Damals war ich diejenige, die in den großen schwarzen Schacht geworfen wurde. Blubb. Bye-bye, Sarah.
    Die Kingsleys beschlossen, mich bei sich aufzunehmen, und ich bin nicht sicher, warum ich mich nicht widersetzt habe. Heutzutage fällt es mir schwer, gegen irgendetwas anzukämpfen. Meistens lasse ich mich treiben. Ich lasse mich treiben, und manchmal erzittere ich. Hin und wieder rede ich mit mir selbst, und dann treibe ich wieder dahin. Ach ja, und ich werfe weiter Dinge in den tiefen schwarzen Schacht. In letzter Zeit habe ich eine ganze Menge hineingeworfen. Inzwischen muss es so ungefähr alles sein. Ich möchte wie ein leeres Zimmer werden, mit weißen Wänden, und ich habe es fast geschafft. Es fehlt nicht mehr viel.
    Ich schreibe diese Geschichte, weil es vielleicht meine letzte Gelegenheit ist, alles aufzuschreiben, bevor ich mich selbst für immer in den tiefen schwarzen Schacht stürze. Ich will nicht dort hinein, doch es fällt mir immer schwerer

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