Der Todeskünstler: Thriller (German Edition)
durchgeknallte Sechzehnjährige mit einer Kanone, blutüberströmt, die wie eine Irre singt in einem Haus, das wie der Tod riecht.
Nun mach schon , sage ich mir. Was kann sie dir Schlimmeres antun als dich zu erschießen?
Eine Menge, du Idiotin. Sie kann dir in die Augen sehen und sich dabei das Hirn aus dem Schädel pusten, oder sie grinst dich an und …
Es reicht , befehle ich mir.
Stille ist in meinem Innern. Meine Seele verstummt.
Meine Hand hört auf zu zittern.
Eine neue Stimme ertönt. Eine Stimme, die Soldaten und Cops und Opfern gleichermaßen vertraut ist. Ich kenne diese Stimme. Sie bietet keinen Trost. Sie bietet nichts außer Gewissheit. Sie spricht die härtesten Worte, und sie lügt niemals, nie, nie, nie. Die Schutzheilige der unwahrscheinlichen Möglichkeiten.
Rette sie, wenn du kannst. Töte sie, wenn du musst.
Meine Hand sinkt auf den Griff, und ich öffne die Tür.
KAPITEL 9
Das Zimmer ist dekoriert in Tod.
Es ist ein extra-großes Schlafzimmer. Das Doppelbett besitzt einen großen Holzkasten mit einem Spiegel dahinter und nimmt dennoch weniger als ein Drittel der Grundfläche ein. An der Wand hängt ein Plasma-Bildschirm. An der Decke ein Ventilator, abgeschaltet. Seine Stille ist symptomatisch für das Haus. Und der beigefarbene Teppichboden ist auch wieder da – unter den gegebenen Umständen beinahe ein Trost.
Weil überall Blut ist. An die Decke gespritzt, an die gelblichen Wände geschmiert, an den Ventilator. Der Gestank ist überwältigend. Mein Mund füllt sich mit noch mehr Kupfermünzen, und ich schlucke meinen eigenen Speichel.
Ich zähle drei Leichen. Einen Mann, eine Frau und einen Jungen im Teenageralter, wie es aussieht. Ich erkenne sie von den Fotos an den Wänden der Treppe. Alle drei sind nackt und liegen auf dem Rücken im Bett.
Das Bett selbst wurde abgezogen. Decken und Laken liegen auf dem Fußboden, zusammengeknüllt und mit Blut getränkt.
Der Mann und die Frau liegen zu den Seiten, der Junge in der Mitte. Die beiden Erwachsenen wurden ausgenommen, im schlimmsten Sinne des Wortes. Jemand hat sie von der Kehle bis in den Schritt aufgeschnitten, in die Leibesöffnung gegriffen und gezerrt . Sie sind von innen nach außen gestülpt. Die Kehlen sind aufgeschlitzt. Nasses Grinsen von einem Ohr zum anderen.
»Laaa. Laaa. Laaa. Laaa.«
Mein Blick huscht zu dem Mädchen. Sie sitzt auf dem Fenstersims und blickt in die anbrechende Dunkelheit hinaus, oder in den dämmrigen Garten. In der Ferne erkenne ich die schwachen Umrisse anderer Dächer. Es ist eine Welt des Zwielichts, einfangen zwischen der untergehenden Sonne und den aufflammenden Straßenlaternen. Passend.
Das Mädchen hat eine Waffe in der Hand, und sie drückt sich die Mündung an die rechte Schläfe. Sie hat sich nicht umgedreht, als ich ins Zimmer gekommen bin.
Ich kann es ihr nicht verdenken. Ich würde mich in ihrer Lage auch nicht umdrehen.
Während mein Herz noch hämmert, macht mein Verstand sich an die Arbeit.
Das Blut wurde vom Killer an die Wände geschmiert. Ich kann es an den Mustern erkennen. Kringel, Striche und Schnörkel.
Er hat in diesem Zimmer gespielt. Er hat das Blut seiner Opfer benutzt wie Fingerfarbe, um diese Muster zu erschaffen. Um irgendetwas auszusagen.
Ich blicke auf Sarah. Sie starrt weiter aus dem Fenster, ohne mich wahrzunehmen.
Sie hat es nicht getan. An ihr ist zu wenig Blut, und die Leichen sind zu schwer. Sie hätte niemals eine von ihnen allein die Treppe hinauftragen können.
Ich gehe weiter ins Zimmer hinein. Ich versuche, nicht auf Beweise zu treten, gebe es aber auf: Dazu müsste ich schweben können.
Ströme von Blut, aber nicht an den richtigen Stellen. Wo sind die Morde verübt worden?
Jeder Blutspritzer, den ich sehe, wurde absichtlich dort hinterlassen, wo er sich befindet. Kein einziger ist das Ergebnis einer durchschnittenen Kehle.
Konzentrier dich.
Der Ermittler in mir ist ein losgelöstes Wesen. Er kann sich leidenschaftslos die schlimmsten Dinge ansehen. Doch Leidenschaftslosigkeit brauche ich jetzt nicht. Ich brauche Empathie. Ich schalte den analytischen Teil meines Verstandes aus und richte meine Aufmerksamkeit ganz auf das Mädchen.
»Sarah?«
Ich achte darauf, leise und ruhig zu sprechen, ja nicht bedrohlich.
Keine Antwort. Sie singt weiter in diesem grauenhaft monotonen Flüstern.
»Sarah.« Ein bisschen lauter.
Immer noch keine Reaktion. Die Mündung der Waffe verharrt an ihrer Schläfe. Sie singt weiter.
»Sarah! Ich bin es,
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